Historische Blätter 7. (1937)
Walter Latzke: Das Ende des Wiener Frauenklosters St. Anna
16. Jahrhunderts zu sprechen, sei doch hier festgehalten, daß manches von dem, was der aufgeklärte Fürstenabsolutismus des 18. Jahrhunderts in kirchlichen Dingen, vornehmlich auf dem Gebiete der Kirchengüter getan hat, bereits im 16. Jahrhundert seine Vorläufer hatte. Wie tiefgreifend diese Gewalt sich im einzelnen auswirken konnte, wie folgerichtig und rücksichtslos sie eine einmal bezogene Linie festhielt, soll uns eine kurze Betrachtung der letzten vier Jahrzehnte des Wiener Klarissenklosters St. Anna zeigen. Herzog Rudolf III. und seine erste Gemahlin Blanka von Valois hatten 1305 in dem hiefür erworbenen Hause des Pfarrers von Rußbach, Meister Otto, am Schweinemarkt (heute Lohkowitzplatz) zu Wien ein Klarissenkloster St. Clara gestiftet, das zur Aufnahme von Mädchen und Witwen des Landadels bestimmt war5. Durch das Stifterpaar und andere Wohltäter gelangte das Kloster in den Genuß zahlreicher Besitzungen, die teils in den Wiener Vororten, teils im Weinviertel, teils im Viertel unter dem Wienerwald verstreut lagen 6. Dieser reiche Besitz konnte bis an den Anfang des 16. Jahrhunderts ungeschmälert erhalten bleiben. Die Tiirken- not brachte dem Kloster harte Kontributionen; als aber 1529 die türkische Heeresmacht unter Führung des Sultans Suleiman des Prächtigen bis vor Wien vordrang, wurde für das Kloster seine exponierte Lage am Kärntnertor verhängnisvoll. Die Nonnen mußten mit ihrer Äbtissin Anna Welzer das Gebäude räumen; nur der Umstand, daß der Bruder der Äbtissin, Gebhard Welzer, als Truppführer in die Stadt gerückt war und sich der Obdachlosen annahm, ließ sie einen notdürftigen Unterschlupf finden7). Mit Hilfe Welzers scheinen die Nonnen noch vor Beginn der Belagerung die Stadt verlassen und in Villach, wahrscheinlich in einem Schwesterkloster, vorübergehend Zuflucht gefunden zu haben. Als sie Anfang 1530 nach Wien zurückkehrten, um ihr altes Kloster wieder zu beziehen, fanden sie es in fremden Händen, in denen des Wiener Bürgerspitals8). Die Folgeerscheinungen des Türkenkrieges hatten das landesfürstliche Verfügungsrecht über das Kirchengut in stärkster Weise in Erscheinung treten lassen. Im Zusammenhänge mit dem nun beginnenden Aus6 Stiftbrief Rudolfs III. von 1305 Sept. 29; or. im Haus-, Hof- u. Staatsarchiv (weiterhin mit StA abgekürzt). 6 Vgl. Visitationsbericht von 1544; Joseph Herborn, Geschichte des ersten Klosters St. Clara in Wien (Wien 1831) in Historische und topographische Darstellung der Pfarren, Stifte, Klöster, milden Stiftungen und Denkmäler im Erzherzogthume Oesterreich (weiterhin abgekürzt K. Top.), XI (II/2), Anhang, S. 360—364. 7 K. Top. XI, S. 355 und S. 420—424 (Beilage 51). 8 ebendort S. 355 und Marian, Geschichte der ganzen österreichischen, klösterlichen und weltlichen Klerisey beiderley Geschlechtes (Wien 1788), IX, 108. 100