Historische Blätter 7. (1937)

Walter Latzke: Das Ende des Wiener Frauenklosters St. Anna

Die wichtigsten Maßnahmen, mit denen die landesfürstliche Gewalt in das Klosterwesen eingriff, ergaben sich aus dem seit Kaiser Fried­rich III. unbestritten ausgeiibten Visitationsrechte. Durch häutige und strenge Visitationen sollte der geistige und wirtschaftliche Zustand der Klöster immer wieder untersucht werden. Traten Übelstände zutage, so trachteten die Herrscher, ihnen durch eigene „Reformationsordnungen“ abzuhelfen. Diese Verordnungen unterstellten vor allem die Vermögens­gebarung der scharfen Aufsicht der landesfürstlichen Beamten. War ein Kloster nicht mehr lebensfähig oder war es völlig erloschen, so ergriffen die Landesfürsten die ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen zur Siche­rung des Klostergutes. Je nach den Umständen wurde das Klostergut durch landesfürstliche Kommissäre verwaltet oder einem anderen Kloster unter bestimmten Bedingungen inkorporiert. Das ausführende Organ war für die niederösterreichischen Länder unter Ferdinand I. die nieder­österreichische Regierung und Kammer. Maximilian II. errichtete am 5. Jänner 1568 hiefür eine eigene Behörde, die „Räte und in Kloster­sachen verordneten Kommissarien“, später kurz „Klosterrat“ genannt4. Der Klosterrat unterstand unmittelbar der Reichskanzlei; er erhielt seine Befehle in Form von kaiserlichen Resolutionen oder von Dekreten des Reichsvizekanzlers. Vertreter der bischöflichen Gewalt, der Wiener und der Passauer Offizial wurden nur zur Begutachtung rein spiritueller Fragen herangezogen. Verfügungen über Inkorporationen ergingen im Einver­nehmen mit dem zuständigen Ordinarius, der freilich — besonders im Gebiete der Diözese Wien — niemals anders entschied als der Klosterrat. Dieser Klosterrat ist nun in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, besonders unter der Regierung Maximilians II., zum Repräsentanten der landesfürstlichen Gewalt in kirchlichen Dingen geworden. In seinem Wirken ist er vielfach dieselben Wege gegangen wie zwei Jahrhunderte später die „Geistliche Hofkommission“ Josephs II. Ohne den anachroni­stischen Fehler begehen zu wollen und von einem „Josefinismus“ des melten Ordinarien zu wissen gemacht und angezaigt, mit dem gnedigisten auflegen, damit sy alspaldt hierinnen zu verhietung der clöster eisserist verderben mit frumen ordensleiten wnergkhliche fürsehung und widerersezung tun wolten. Da aber über das bey inen noch khain wenndung und hilft zu verhoffen, alsdan wierd eur khay. mt. be­vor mit solichen clöstern anndere mitl und hilff zue derselben gnedigisten wolgefallen ainzweder vorgehörttermassen zu der jungkfrawen zuchtschuellen oder in alios pios usus zu verordnen fürnemen.“ (conz.) Haus-, Hof- u. Staatsarchiv, österr. Akten, Geistl. Archiv fz. 72 (Klosterrat, St. Anna). — vgl. auch Taras v. Borodajkewycz, Die Kirche in Öster­reich (Österreich. Erbe und Sendung im deutschen Baum, hsg. von Nadler und v. Srbik), S. 282, 283. 4 Wiedemann, 1. c. I, S. 195 ff. 99

Next

/
Thumbnails
Contents