Historische Blätter 7. (1937)
Walter Latzke: Das Ende des Wiener Frauenklosters St. Anna
aber benahm die veränderte Einstellung der Laienwelt, des Adels und Bürgertums, zum Klostertum immer mehr ihren Nachwuchs. Innere Zersetzung oder Überalterung der Klöster hat mehr noch, als es Türken- und Bauernkriege vermochten, auch die wirtschaftlichen Grundlagen des Klosterwesens untergraben. Diese Verfallserscheinungen mußten die landesfürstliche Gewalt bei einer folgerichtigen Handhabung ihrer Schutz- und Verfügungsrechte zu den weitgehendsten Eingriffen in das Klosterwesen veranlassen2. Man darf diese Erscheinung in keiner Weise mißdeuten. Keiner der habsburgischen Herrscher des 16. Jahrhunderts hat mit seinen Maßnahmen gegenüber den Klöstern den Protestantismus direkt oder indirekt fördern wollen. Im Gegenteile, alle diese Maßnahmen entsprangen der Auffassung, daß der Landesfürst als oberster Vogt für den Bestand der katholischen Lehre und die Aufrechterhaltung der kirchlichen Ordnung in seinen Ländern zu sorgen habe. Der fortschreitende Verfall des Klosterwesens, die steigende Ohnmacht der bischöflichen Gewalt, diesem Verfall zu steuern, ließ in den Herrschern und ihren Räten die Überzeugung erwachsen, daß in einer Zeit, da die Klöster aus eigener Kraft nicht mehr imstande seien, ihren Zweck zu erfüllen, und die Bischöfe von sich aus keine Erneuerung der Klöster herbeiführen könnten, die Fürsten berufen seien, die verfallende Klosterzucht durch strengste Verfügungen zu heben oder die erlöschenden Klöster zu liquidieren und ihre Güter ungeschmälert und unter Wahrung ihres religiösen Zweckes in eine bessere Zeit hinüberzuretten s. Daneben freilich mußte man angesichts der Türkengefahr trachten, das Kirchengut auf jeden Fall Steuer- und kontributionsfähig zu erhalten, aber es wäre verfehlt, wollte man in dieser Sorge allein die Triebfeder der landesfürstlichen Maßnahmen erblicken. Wenn die Herrschergewalt im vollen Bewußtsein ihrer Rechte mitunter auch noch so scharf Zugriff, in keinem einzigen Fall hat sie über Kirchengut anders verfügt als „ad pios usus“. 2 Theodor Wiedemann, Geschichte der Reformation and Gegenreformation im Lande unter der Enns (1879), I, S. 52—66, 90—104, 151—194. 3 Einen guten Beleg für diese Auffassung bietet der Bericht des Klosterrates an Maximilian II. vom 16. August 1571 über das Erlöschen des Frauenklosters Dürnstein und das bevorstehende Ende der Frauenklöster St. Anna in Wien, St. Bernhard und Erla. Der Bericht schließt mit den Worten: . . So dann fürnemblich den herren ordinariis irem tragenden ambt und bevelch nach gebiert het, hierinn ziemliche wenndung und fürsehung zu thuen, aber bisher mit sonderer beschwär nit beschehen. Damit aber (ehe anndere hanndlung gegen disen clöstern fürgenommen wurdt) die herren ordinarii nochmalß sich nit zu beschweren oder khünfftig fürgeben mechten, eur khay. mt. heten sy ires ambts ausgeschloßen oder inen hierinn eingrif gethan, so wäre demnach unnser verrer unnderthenigist rath und guetbedungkhen, eur khay. mt. heten wie jez ver- stannden zuvorderist den mangl unnd abgang frumer ordensleit bey disen clöstern be98