Historische Blätter 7. (1937)

Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur

der Langobardenkrone soll hier nur hingewiesen sein. Die Verbindung mit dem Papsttum, die Kaiserkrönungen in Korn (veranlaßt wurden die Romzüge der deutschen Herrscher übrigens immer durch eine augen­blickliche politische Notwendigkeit) stehen im engsten Zusammenhang mit einer wahrhaft deutschen Politik nördlich der Alpen: Nur mit Hilfe Roms war die deutsche Ostpolitik möglich, die Missionierung der Slawen, die, von Karl begonnen, im Südosten, in den Ostalpen, schon damals auch zur Germanisierung des Landes, zu der später den Magyarensturm über­dauernden deutschen Besiedlung führte. Im Norden, an Elbe und Saale, wurde wenigstens durch Erbauung von Burgen dem weiteren Vordringen der Slawen Halt geboten, durch Einrichtung von Grenzmärkten (darunter Magdeburg, die ottonische Hauptstadt!) der Handelsverkehr mit den Slawen geregelt und so die Vorbedingung für die spätere Kolonisation geschaffen, die nach vielen Rückschlägen schließlich zu einer großartigen Erweiterung des deutschen Raumes führen sollte. Mit vollem Bewußtsein hat Karl hier durch bewundernswertes Zusammenfassen militärischer, kirchlicher und wirtschaftlicher Kräfte ein großes politisches und kulturelles Programm verfolgt, wie er es in dem berühmten Schreiben an Leo III. von 796 entwirft, in dem er die ihm angebotene Herrschaft über Rom ablehnt und dafür die Heidenmission als sein Ziel bezeichnet12. Den ihm dann doch vom Papste aufgedrängten Kaisertitel hat er entschlossen für seine Pläne ausgenützt: der Papst sollte zur Mitwirkung bei der Heidenmission verpflichtet sein, die Führung behielt Karl selbst. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt mit schlagender Beweiskraft die von Brackmann unterstrichene Reihenfolge der Ereignisse: 796 schließt Karl mit dem neuen Papst Leo III. ein Bündnis, gleich darauf erfolgt die Gründung des Erzbistums Salzburg als Missionszentrum für den Südosten; 800 erfolgt die Kaiserkrönung, 803 finden wir den Kaiser in Regens­burg, von wo aus er die Missionierung der durch den Avarenkrieg neu gewonnenen Gebiete ins Werk setzt; 804 reist Leo III. nach Aachen, kaum hat er die Residenz verlassen, so erscheint dort zu Besprechungen mit Karl der Avarenfürst, 805 und 806 unternimmt der Kaiser Feldzüge nach Böhmen und gegen die Sorben. Aus diesem machtpolitischen Programm Karls d. Gr. sind keine antiken Erinnerungen zu erkennen. Karl d. Gr. hat viele Völker unter­worfen, sagt ein dichtender Geschichtsschreiber am Ausgang der Karolinger­zeit, deren Namen nicht einmal die Römer kannten18. Das Kaisertum 12 Vgl. jetzt Brackmann in „Karl d. Gr. oder Charlemagne?“; eine bewußte Kulturpolitik nimmt auch Baethgen (ib., „Die Front nach Osten“) an. 12 Poéta Saxo V v. 651 f. (MG Poet. Lat. IV 1, 70). 9

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