Historische Blätter 7. (1937)

Fritz v. Reinöhl: Das politische Vermächtnis Kaiser Franz I.

Kaiser um ^11 Uhr Hess und Wagner habe kommen lassen, erst Hess ein Kodizill, dann Wagner jenes Handschreiben diktiert habe10. Erzherzog Johann kannte damals das Testament noch nicht; daß er von einem Kodizill sprach, dürfte darauf zurückzuführen sein, daß der Kaiser, als er Hess zum zweiten Male zu sich berief, nicht nur die von diesem auf­gewiesenen Mängel des Testamentes behob, sondern auch Zusätze ver­fügte. Die Zeitangabe Erzherzog Johanns stimmt nicht ganz mit jener Hessens überein. Es darf aber doch auf Grund dieser Mitteilungen an­genommen werden, daß der Kaiser jenes Handschreiben in den späten Vormittagsstunden oder bald nach Mittag des 28., somit zu einer Zeit, da der Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verbürgt ist, Bischof Wagner, dessen Schrift das Original in der Tat aufweist11, diktiert habe. Nun ist nicht anzunehmen, daß der Kaiser dieses Handschreiben ohne Vorlage aus dem Kopfe diktiert habe; dies schließen auch die von Bibi erwiesenen inhaltlichen Übereinstimmungen mit dem Entwürfe Metternichs aus. v. Srbik hat darauf hingewiesen, daß Kronprinz Wilhelm von Preußen seinem Vater geschrieben habe, daß die letztwilligen Anordnungen Franzens schon länger von diesem mit Metternich besprochen worden wären 12 13. Metternich selbst behauptet, daß weder der Kaiser noch er unvorbereitet gewesen wären; was an dem verhängnisvollen Tage zu geschehen hätte, hätten sie hundertfältig besprochen und festgesetzt1S. Ähnlich äußerte er sich gegenüber Ficquelmont14. Dem Erzherzog Johann berichtete er, er hätte früher den Auftrag gehabt, Regierungsmaximen als eine Belehrung für den Thronfolger zu entwerfen, die Krankheit Franzens aber habe ihn gehindert, sie vorzulegen; das Handschreiben erspare die ganze Arbeit. Der Erzherzog vermerkte auch am 13. Februar 1835 in seinem Tagebuch, daß Metternich den Kaiser habe veranlassén wollen, sein Testament zu machen und sich von Ferdinand geloben zu lassen, Metternich die Leitung der Geschäfte zu übergeben; er sei aber auf den unüberwindlichen Widerstand des Kaisers gestoßen. Die Frage, ob Metternich bei der Niederschrift des Handschreibens zugegen war, läßt sich an Hand der derzeit zugänglichen Quellen nicht beantworten. Die 10 Tagebuch, Steiermärkisches Landesarchiv Graz. 11 Familienurkunde Nr. 2347. Hier erliegt das Original des privatrechtlichen Testamentes und des staatspolitischen Handschreibens, das Or. des kirchenpolitischen in C. A. a. 489/1841. Drucke des staatspolitischen Handschreibens: Nachgelassene Papiere V, 651, Tagebuch Kübecks I, 676. 12 A.a.O. 1, 554. 13 Metternich an Münch 7. III., C. A. a. 490. 14 An Ficquelmont 14. XII. 1836, Wertheimer in österr. Rundschau 1907, S. 53. 74

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