Historische Blätter 7. (1937)

Fritz v. Reinöhl: Das politische Vermächtnis Kaiser Franz I.

gedehnten pneumonischen Herden in beiden Oberlappen und im linken Unterlappen. Das hämorrhagische Exsudat links könnte dafür sprechen, daß es sich um eine grippöse Form gehandelt hat, die ja auch die Erklärung für den raschen Verfall des Patienten abgeben kann. Die schwere Benommenheit findet sich vornehmlich bei dieser Art der Erkrankung und wird sicherlich noch durch die Lokalisation in beide Oberlappen unterstützt. Unzweifelhaft haben die wiederholt vorgenommenen Aderlässe noch das ihrige zur Schwächung des Patienten beigetragen. Nach allgemein klinischen Erfahrungen ist es aber sogar verhältnismäßig häufig, daß diese Patienten zeitweise ihr volles Bewußtsein wiedererlangen und imstande sind, oft in überraschend klarer Weise ihre Verfügungen zu treffen.“ Am 28. morgens um 8 Uhr wurde Hess, wie er selbst in seinen schon erwähnten Aufzeichnungen berichtet6, zum Kaiser berufen, welcher ihm „bei vollkommen klarem Bewußtsein“ den teils eigenhändig, teils von der Kaiserin geschriebenen Entwurf seines Testamentes mit dem Auftrag übergab, es ins Reine zu schreiben, über ihm allenfalls auftauchende Zweifel aber Vortrag zu erstatten. Als Hess tatsächlich mehrere rechtliche Bedenken aufstiegen, ließ ihn der Kaiser um 12 Uhr rufen, damit er hierüber Vortrag halte. Abermals war der Kaiser, wie Hess wohl nicht ausdrücklich bemerkt, was aber aus seinem Bericht über den Verlauf des Vortrages zweifellos hervorgeht, im uneingeschränkten Gebrauch seiner Vernunft. Ferner berichtete Erzherzogin Sophie ihrer Mutter, daß der Kaiser im Laufe des Vormittags seine letztwilligen Anordnungen „avec une calme mit einer Klarheit und Besonnenheit qu’un bon chretien seul peut avoir“ getroffen habe7. Übereinstimmend damit berichtete auch der Nuntius, als er den Tod des Kaisers nach Rom meldete, daß Franz an jenem Vormittag bei klarem Bewußtsein war 8. Über die Zeit, da die beiden Handschreiben geschrieben wurden, geben ebenfalls mehrere Quellen Auskunft. Der schon erwähnte Brief der Erzherzogin Sophie, das Zeremoniellprotokoll des Obersthofmeisteramtes und das Tagebuch Melanie Metternichs bezeichnen den Vormittag als Zeit ihrer Entstehung 9. Erzherzog Johann, der erst am Morgen des 2. März in Wien eintraf, sprach am selben Tage mit Bischof Wagner über die Entstehung des staatspolitischen Handschreibens und berichtet, daß der 6 Erklärung 4. III., H. H. u. St. A. Familienurkunde Nr. 2347. 1 1. in. 8 Bericht 6. III. Nr. 341, Vatikanisches Archiv, Segr. di Stato. 9 Metternich, Nachgelassene Papiere 5, 622. 73

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