Historische Blätter 7. (1937)

Josef Karl Mayr: Die Schlussakte des Wiener Kongresses

beschlossen worden, deren Mitglieder die Artikel der damals noch als selbständig gedachten Kongreßverträge zu entwerfen hatten. Die Kommis­sion bestand aus dem Russen Anstett, den Österreichern Hudelist4 5 und Bar­bier und den Preußen Stägemann und Jordan6. Sie muß nicht sehr eifrig gearbeitet haben, da sie schon nach wenigen Wochen durch eine zweite Redaktionskommission ersetzt wurde, die aus Clancarty und Münster für England, Humboldt und Jordan für Preußen, Capo d’Istrias für Rußland, La Besnardiére für Frankreich und aus Hudelist und Wacken für Öster­reich bestanden hat. In ihr war nun auch England, der Vorkämpfer für ein einheitliches, gemeinsames Kongreßinstrument, vertreten6. In diesem Sinne legte sie am 10. Feber dem Fünferkomitee rund dreißig Artikel vor7. Das widersprach dem russischen Standpunkte, der eben erst am 8. Feber — in der unmittelbar vorangehenden Sitzung der Fünf — zur Geltung gekommen war: die neu eingesetzte zweite Redaktionskommission hatte die Artikel vertragsweise — „ä completer chacun des traites“ — aus­zuarbeiten. Die zweite große Krise des Kongresses, Napoleons Rückkehr, hat die Redaktionsarbeiten beschleunigt. Nun wurden einer dritten Redaktions­kommission, bestehend aus dem Russen Stackeiberg, dem Briten Clancarty, dem Franzosen Latour, dem Spanier Labrador, dem Schweden Löwenhielm, dem Portugiesen Saldanha, dem Preußen Humboldt und dem Österreicher Wessenberg, drei Chefredakteure — La Besnardiére, Anstett und Gentz — zur Seite gestellt. Letztere hatten erst einen Entwurf über Form und Gang der Redaktionsarbeiten und dann an Hand der Protokolle die Schlußakte auszuarbeiten. Diese war nun schon einheitlich gedacht und nur noch von Sektionen, in die sie geteilt werden sollte, die Rede8. Wellington, Castlereaghs Nachfolger, war damals der Meinung, die Schluß­akte werde schon Ende März unterzeichnet werden können. Gentzens Tagebuch aber zeigt, daß dieser erst anfangs April mit den Redaktions­arbeiten begonnen hat. Seine Kollegen Anstett und La Besnardiére ließen ihn im Stiche: ersterer war kränklich und letzterer kehrte Mitte Mai nach 4 J. K. Mayr, Geschichte d. österr. Staatskanzlei unter Metternich 29; dort auch nähere Angaben über die anderen Staatskanzleibeamten. 5 C. Angeberg, Le congrés de Vienne 2, 1877. • C. Angeberg 1, 706. 7 C. Angeberg 1, 737 ; 2, 1888. 8 C. Angeberg 2, 910. Die Sitzung der Fünf vom 6. März (C. Angeberg 2, 896) hatte unter die Mitglieder der Redaktionskommission auch Castlereagh und Anstett ein­gereiht, obwohl jener Wien schon Mitte Feber verlassen hatte. Anstett rückte am 12. März unter die Chefredakteure auf. 62

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