Historische Blätter 7. (1937)

Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur

Territoriums siedelnd, fast die Nachbarn der um 700 bis über das Brixener Becken hinaus vorgedrungenen Bayern waren und daß sie mit diesen bekanntlich schon seit dem 6. Jahrhundert in mannigfachen politischen und kulturellen Beziehungen standen. Besonders aufschlußreich ist es aber, daß hier auch die nicht zum Reiche gehörigen Burgunder an der Seite der übrigen germanischen Stämme den zum Reiche gehörigen Römern entgegengestellt werden. Die Stelle kündet uns also ein hauptsächlich natürlich auf der Sprache, aber auch darüber hinaus auf Kulturverwandtschaft — besonders wohl im Recht — beruhendes germanisches Gemeinschaftsgefühl. Nun könnte man einwenden, daß diese Quelle erst dem 10. Jahr­hundert angehört. Aber angesichts der fortschreitenden Romanisierung und der Abtrennung Burgunds vom Reich kommt hier, umgekehrt als sonst, der jüngeren Quelle die stärkere Beweiskraft zu. Wenn noch im 10. Jahr­hundert ein gemeingermanisches Bewußtsein lebendig war, dann um so mehr zur Zeit Karls des Großen. Wir haben aber auch unmittelbare Beweise hiefiir. Paulus Diaconus spricht von „universis Germaniae gentibus“ (Hist. Lang. Ic. 9)4 * und Walahfrid Strabus, dessen Kindheit noch in die Lebenszeit Karls reicht, weiß noch, daß die Goten „zur Zeit, wo sie zum christlichen Glauben bekehrt wurden“, nostrum id est Theotiscum sermonem habuerintB. Vielfach in den Quellen zu belegen ist auch das Verwandtschaftsbewußtsein zwischen Angelsachsen und Fest­landsachsen, die sich in Karolingischen Zeiten durchaus als Völker gemeinsamen Blutes betrachteten 6. So konnte es also Karl dem Großen z. B. auf seinen Italienzügen durchaus zum Bewußtsein kommen und kam ihm wohl auch, daß er in ein Land zog, dessen Bevölkerung zum guten Teil germanisch, west­germanisch, ja deutsch war! — Ein Licht auf Karls Machtpolitik wirft auch seine Kulturpolitik, deren Ziele mitunter klarer zutage liegen. So ver­einigt seine bekannte Akademie bezeichnenderweise die Franken Einhart und Angilbert mit dem Langobarden Paulus Diaconus, dem Angelsachsen Alkvin und dem Westgoten Theodulf, „ein Bild seines großen Reiches im kleinen“, wie treffend gesagt wurde 7. Wenn man Karl das Streben nach „Vertretung der christlichen Gesamtinteressen“ zuschreibt8, so kann man 4 MG SS. rer. Lang, et Ital. saec. VI—IX, ed. Bethmann-Waitz, S. 53. 6 Zitiert bei Vigener 1. c. 32. 6 Siehe bes. Beda Hist. eccl. V. 9 and Bonif. et Lalii epist. 46. 7 Hans Naumann, Karls germanische Art, 32 (in: Karl der Große oder Charlemagne? Acht Antworten deutscher Geschichtsforscher, 1935). 8 K. Hampe, Meister der Politik, I, 416. 7

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