Historische Blätter 7. (1937)

Oskar Schmid: Marques Rialp und das spanische Staatsekretariat in Wien

ganzen Regierungszeit Karls VI. die Stellung eines Hofkanzlers bekleidete, beim Kaiser in besonderer Gunst stand. Was Karl bei seinen spanischen Parteigängern geflissentlich übersah, bildete bei Sinzendorf einen Stein des Anstoßes. Denn auf Sinzendorf ruhte der Verdacht, daß er Bestechungen durchaus nicht unzugänglich sei10. Dieses Mißtrauen gegen Sinzendorf war schuldtragend, daß so manche Beziehungen zu fremden Höfen statt­fanden, ohne daß der Hofkanzler davon Kenntnis erhielt. Als äußerliche Anerkennung für Rialps nicht immer ersprießliche diplomatische Tätig­keit — auch an dem wenig erfolgreichen Wiener Frieden vom 25. April 1725 sollte er nebst Sinzendorf wesentlich Anteil nehmen — wurde ihm von Karl VI. am 5. März 1724 der Reichs- und erbländisehe Grafenstand, „da der Marchesen Titul in den hungarischen und croatischen orthen“, wo Vilana Perlas Lehen empfing, „etwas ungewöhnliches“, verliehen11. Die Befugnisse der spanischen Staatssecretaria einmal einer genau­eren Untersuchung zu unterziehen, wäre eine sehr interessante Aufgabe. Das Wenige, was wir bisher davon wissen, ist, daß der Kaiser und der Chef des genannten Amtes ohne Zwischenglied mit den österreichischen diplomatischen Vertretungen im schriftlichen Verkehr standen, daß Rialp allein in seinem Namen mit diesen korrespondierte und daß er sicherlich auch befähigt war, auf seinen Herrscher, auch wenn seine Person nicht namentlich hervortritt, in wichtigen außenpolitischen Fragen Einfluß zu nehmen. Der Einfluß der beiden Ratskollegien wurde auf ein verhältnis­mäßig bescheidenes Maß herabgedrückt. In der belgischen Korrespondenz läßt sich z. B. die Form beobachten, daß parallel mit der Berichterstattung der Statthalterin an den Kaiser auch eine solche des bevollmächtigten Ministers, damals Grand maitre de la Cour genannt, an den Sekretär der Universal-geheimen Staatsexpedition lief. Die Kanzleisprache war spanisch, später finden wir gelegentlich auch französische Korrespondenz, Privat­schreiben sind häufig italienisch. Zum guten Teil ist die Secretaria als Trägerin der spanischen Kanzleitradition zu betrachten und nach ihrer Auflösung läßt sich ein starker Rückgang der spanischen Sprache auch in der Kanzlei des Brüsseler Generalgouvernements feststellen. In den Jahren 1739 und 1740 finden sich auf den Berichten der Statthalter noch spanische Rubren; nach dem Tode Karls VI. verschwinden auch diese. Wir können den Kreis der Einflußsphäre des spanischen Staatssekre­tärs nur in groben Zügen andeuten. Er erstreckte sich naturgemäß über 19 Vgl. Arneth a. a. 0. 3, S. 37. 11 Akt der Österreich. Hofkanzlei (!) im Staatsarchiv des Innern und der Justiz. 58

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