Historische Blätter 7. (1937)

Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur

samer. Denn als die Burgunder bereits katholisch wurden — ein ent­scheidender Schritt zur Yerwelschung —, erhielten die Westgoten in Spanien noch germanisch-arianischen Zuwachs durch die ostgotischen Besatzungstruppen, die Theoderich als Vormund seines Enkels Amalarich nach Spanien legte und die, vielfach mit Westgotinnen vermählt, auch nach Theoderichs Tod und der damit erfolgten Auflösung der Personal­union zum großen Teil in Spanien blieben. In der Tat erfolgte der Über­tritt der Westgoten zum Katholizismus erst gegen Ende des 6. Jahr­hunderts und ihre Sprache wurde wohl erst durch die Mauren am Beginne des 8. Jahrhunderts völlig vernichtet. Kulturell aber, im Gewohnheitsrecht, im Geiste der Volksdichtung, lebte das gotische Volks­tum noch länger fort. Was das bedeutet, erkennt man an den Verhält­nissen der Burgunder. Diese wurden — zuerst die Vornehmen, dann die unteren Stände — nach der Eroberung ihres Reichs durch die Franken rasch, besonders, wie gesagt, seit dem 7. Jahrhundert sprachlich romanisiert; das Recht jedoch hielt sich und die Kunst entfaltete sich gerade im 7. Jahr­hundert erst zu nationaler Blüte. Entscheidend aber ist, daß die Burgunder jedenfalls im 10. Jahrhundert als Germanen galten, wie die gleich zu besprechende Liudprandstelle zeigt; denn dann mußten sie im 8. Jahr­hundert um so mehr als Germanen gelten und dann ist es möglich, daß zur Zeit Karls des Großen auch in Spanien trotz des maurischen Einfalls das Germanentum der Westgoten noch nicht ganz vergessen war — zumal in dem von ihnen am dichtesten besiedelten nordöstlichen Gebiete. Wir sind jetzt schon mehr an die zweite Frage, das Zeitbewußtsein, geraten. Daß nichts Unmögliches in die Zeit Karls des Großen hinein­gedeutet wird, beweist eben die angezogene Liudprandstelle. In dem berühmten Bericht über seine Gesandtschaft nach Konstantinopel im Jahre 968 antwortet Liudprand auf die Bemerkung des byzantinischen Kaisers: „Ihr seid keine Römer, sondern Langobarden“ in leidenschaft­lichem Stolz: „quos [sc. Romanos] ...nos, Langobardi scilicet, Saxones, Franci, Lotharingi, Bagoarii/Suevi, Burgundiones, tanto dedignamur, ut ini- micos nostros commoti nil aliud contumeliarum nisi: Romane! dicamus . . .“ (legatio c. 12)3. In einer Reihe mit den deutschen Stämmen werden hier also auch noch Langobarden und Burgunder aufgezählt. Bei den Lango­barden begreifen wir das nach dem früher Ausgeführten ohneweiters, besonders wenn wir noch bedenken, daß sie ja den Bayern sprachlich ganz nahe verwandt waren, daß sie, noch im Süden des Trienter 3 ed. Becker MG SS. rer. Germ. 1915, S. 182 f; vgl. F. Vigener, Bezeichnung für Volk und Land der Deutschen vom 10. bis 13. Jahrhundert, Digs. Heidelberg, 1901, 21. 6

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