Historische Blätter 7. (1937)
Lothar Gross: Ein kassiertes Privileg Kaiser Leopolds I.
Titel Altesse gegeben worden sei und behauptete, daß ihr dieser Titel auf Grund der souveränen Stellung ihres Gatten gebühre. Es entspann sich ein gereizter Schriftwechsel zwischen ihr und dem Staatssekretär Abbé Francois le Bégue. Als dieser die Prinzessin darauf verwies, daß der verstorbene Herzog Karl V. die Abmachungen von 1670 abgelehnt habe, antwortete diese, es sei zwar richtig, daß Karl V. zu Eßlingen seinerzeit unter dem Einfluß seiner Minister dies getan habe, hingegen habe er später in Wien dem Abgesandten des Prinzen, Martel, seine Zustimmung zur Einholung der Bestätigung jener Verträge durch den Kaiser gegeben. Als Beweis ihrer Behauptung legte sie ein Schreiben Martels vor, indem dieser erzählt, wie Karl V. ihn freundlich aufgenommen, wegen der Erwirkung der Bestätigung ihn an den Hofkanzler Strattman, der bereits alle Schritte beim Kaiser getan hatte, gewiesen habe und wie er von diesem zur Durchführung der Sache an den Reichsvizekanzler Königsegg gesandt worden sei. Eleonore und ihr Hof waren über diese Behauptungen, von deren Unwahrheit sie von vorneherein durchdrungen waren, ebenso bestürzt wie empört. Nach einem vergeblichen Vermittlungsversuch kam es zum Bruch zwischen Eleonore und dem Ehepaar Vaudémont. Gleichzeitig hatte man am lothringischen Hofe auch eine Untersuchung darüber eingeleitet, wie die kaiserliche Bestätigung zustande gekommen war. Diese war zu dem überraschenden Ergebnis gelangt, daß ein Sekretär Karls V., namens Locher, die kaiserliche Bestätigung ohne seines Herrn Wissen und Willen beim Reichsvizekanzler erbeten hatte. Der schon genannte Vertreter der Vaudémonts, Martel, hatte Locher vorgespiegelt, daß der Herzog hiezu seine Einwilligung gegeben habe. Locher hatte — offenbar in gutem Glauben — gehandelt, ohne dem Herzog noch irgend eine Mitteilung davon zu machen. Lochers Darstellung, die er am 22. April 1693 dem Grafen Carlingford von Taafe, dem Minister des jungen Herzogs, gab, wurde durch dessen Mitteilungen dahin ergänzt, daß Martel tatsächlich im Jahre 1686 zwar bei einer Vorsprache beim Herzog die bewußten Vertragstexte wortlos auf den Schreibtisch des Herzogs gelegt, sich aber sogleich, ohne ein Wort darüber zu sprechen, wieder zurückgezogen hatte und der Herzog auch seinerseits gegenüber Martel nie darauf zu sprechen gekommen war. Man hatte also die kaiserliche Bestätigung auf diese keineswegs einwandfreie Weise hinter dem Rücken Karls V. erlangt und hielt daher die Urkunde, solange dieser lehte, streng geheim, um erst 1692 damit herauszurücken. Sobald Eleonore über diese Vorgänge Klarheit gewonnen hatte, nahm sie die Fühlung mit dem Kaiserhof auf, um die Kassierung der Urkunde zu erwirken. Der Kaiser wurde über die Angelegenheit unter4* 49