Historische Blätter 7. (1937)

Lothar Gross: Ein kassiertes Privileg Kaiser Leopolds I.

Aufschluß über diese Vorgänge, die man in der lothringischen Kanzlei l’affaire de Mr. de Vaudémont nannte4. Um sie besser zu verstehen, müssen wir kurz auf die Nachfolgefrage im Hause Lothringen zur Zeit des Herzogs Karl IV. eingehen. Die Ehe Karls IV. mit seiner Base Nicole war kinderlos geblieben, als rechtmäßiger Erbe im Herzogtum galt sein Neffe Karl, der Sohn seines Bruders Franz Nikolas, der berühmte Feldherr des Kaisers. Karl IV. hatte jedoch aus einer Verbindung mit der Gräfin Beatrix von Cantecroix, deren Anerkennung als gültige Ehe er niemals durchzusetzen vermocht hatte, einen Sohn Karl Heinrich, der den Titel eines Prinzen von Vaudémont erhalten hatte und dem er sehr zugetan war. In mehreren Urkunden des Jahres 1667 hatte Karl IV. dem Prinzen Vaudémont, der die ehrgeizige Anna Elisabeth d’Elboeuf geheiratet hatte, bedeutende territoriale Schen­kungen gemacht, ebenso in dessen Heiratsvertrage. Karl IV. war sogar soweit gegangen, seinem Sohn mit Zustimmung seines Bruders Franz Nikolas die Bildung eines souveränen Staatsgebildes aus den ihm zu­gestandenen Gebieten zuzusichern 5. Es gelang zunächst allerdings nicht, die Zustimmung seines Neffen Karl zu diesem Abkommen zu gewinnen. Erst Ende des Jahres 1670 ließ dieser sich zur Anerkennung dieser Abmachungen herbei, wohl aus Furcht, es könnte sein Oheim, der damals mit Frankreich in Verhandlungen stand, das ganze Herzogtum den Franzosen förmlich abtreten4 5 6. So nahm denn Karl V. die Bedingungen an, die sein Oheim in einer vom 4. November 1670 datierten Deklaration zur Voraussetzung seines Verzichts auf das Herzogtum zugunsten seines Neffen gemacht hatte. Demnach sollten die Schenkungen und Zugeständ­nisse Karls IV. an seinen Sohn Karl Heinrich von Vaudémont in Kraft bleiben und dieser und dessen Erben die Grafschaften Bitsch, Saargemünd und Saaralben samt Zubehör, die Herrschaft Saareck und Maasmünster, die von der Grafschaft Saarwerden verbliebenen Orte, ferner die Herr­schaft Finstingen (Fenestranges), die Grafschaft Falkenstein, das Fürsten­tum Lixheim und einen Teil der von Karl IV. in den Niederlanden und in Burgund gemachten Erwerbungen erhalten und all dies „comme vray 4 Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Lothring. Arch., Schachtel 72. Der Band ist auf seinem Rücken bezeichnet als: Tome 10. Continuation des registres des négotiations depuis Tan 1687 jusques ä Tan 1695 incluve. et les écrits sur Taffaire de Mr. de Vaudémont et les minuttes des expeditions de la reine depuis la mort de feu Son Altesse Serenissime. 5 Vgl. Calmet, Histoire de Lorraine, 2. édit., vol. VI, p. 678 ff. 6 Dies und das Folgende auf Grund der in Anm. 5 zitierten lothring. Akten. — Vgl. auch Baumont, Études sur le regne de Leopold due de Lorraine (1697—1729), S. 56 f. 4 47

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