Historische Blätter 7. (1937)

Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur

wand — der der Zeit selbst sicher auch gelegentlich als solcher zum Bewußtsein kam — für die Verfolgung machtpolitischer Ziele, für die Betätigung echt germanischer heroischer Kampfgesinnung, wie sie ihren großartigsten Ausdruck auch in den Kreuzzügen fand30. Denn diese sind trotz ihres zumal bei den germanischen Teilnehmern vornehmlich religiösen Charakters doch erfüllt vom Geiste der Wikingerzüge und erscheinen uns als der Abschluß des germanischen Altertums40. Die Kreuzzugschroniken verherrlichen, wie die epische Dichtung der Zeit, meist Fürsten, Edle und Tapfere, Helden, und nicht im christlichen Sinne Demütige, Niedere41! Und in Karl dem Großen sieht das 12. Jahrhundert den Ahnherrn und erhabenen Patron der Mission und der Kreuzzugsbewegung. Es ist so, als böte das Christentum oft nur den Anstoß, die Anregung zur Entfaltung von Kräften des germanischen Volkstums, die allgemeine Idee zur charakteristischen nationalen Gestaltung. Wir sind durch diese Betrachtungen aber schon über die äußere Wirkung des Christentums hinaus zur geistigen, kulturellen Wirkung gelangt. Wir können natürlich nur Einzelheiten, die uns symptomatisch scheinen, herausgreifen. Auch hier hat das Christentum vielfach nicht so sehr Fremdes zugebracht, als vielmehr germanische Entwicklungen aus­gelöst und gefördert, ihnen Stoffe, Ziele und Motive gegeben. Die orientalische Rhythmik etwa, hauptsächlich vermittelt durch kirchliche Hymnen, im Prinzip übereinstimmend mit der gleichfalls sinngemäßen Silbenbetonung der germanischen, insbesonders auch der altdeutschen Verskunst, ruft ein wunderbares Aufblühen der deutschen rhythmischen Dichtung hervor. Oder — am einleuchtendsten — in der bildenden Kunst: tausendmal hat hier der christliche Mythos der schöpferischen Phantasie des deutschen Künstlers nur Stoffe und Motive zu eigenster lebenswahrer Gestaltung im Kostüme der Zeit geliefert, wobei der religiöse Inhalt für den Künstler nur wenig bedeutete — man denke etwa an die lange Reihe der Madonnen mit dem Jesuskind als Darstellungen deutscher Fraulichkeit und inniger Mütterlichkeit. Dann aber hat das Christentum der germanischen Kultur natürlich auch die Aufgabe gestellt, eine schier erdrückende Fülle fremder, orientalischer (und auch klassischer) Elemente auf allen Gebieten wirklich aufzunehmen und zu verarbeiten. Dabei zeigt es sich nun, daß gerade das Fremde, besonders Orientalisches, dem 83 Vgl. Carl Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (Forsch, z. Kirchen- und Geistesgesch., Bd. 6) 1935. 40 W. Vogel, Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, I, 122 f. 41 Vor allem Albert von Aachen. 20

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