Historische Blätter 7. (1937)

Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur

war schon vor dev Christianisierung gebrochen88, wenn sich das Heiden­tum auch vielleicht noch längere Zeit hätte halten können. Damit aber war eine der wichtigsten Kraftquellen der geistigen, ja der allgemein kulturellen Entwicklung versiegt. Das religiöse Leben mußte einen neuen Antrieb erhalten. Dies geschah durch die Christianisierung. Das Christen­tum hat die Westgermanen aufgerüttelt und alle ihre Kräfte mobilisiert — wenn auch teilweise zum Abwehrkampf. Wir wollen und müssen uns hier mit unserer Betrachtung auf unser eigentliches Thema, die Grundlegung der deutschen Kultur, zurückziehen, da etwa bei den ostgermanischen Stämmen die das germanische Volkstum an das romanische angleichende Wirkung der Christianisierung alle anderen Folgen belanglos macht und die Christianisierung hier infolgedessen die entscheidende Vorstufe zur Aufgabe des germanischen Volkstums ist. Daß bei den Westgermanen, bei den Deutschen im besonderen, mit der Christianisierung neues Leben erwacht, das zeigt zunächst schon die, wenn man so sagen darf, äußere Wirkung. Das Christentum ist im frühen Mittelalter nicht nur als Kulturfaktor zu werten, sondern auch als politisches Machtmittel von höchster Bedeutung. Hand in Hand mit der christlichen Mission dehnte das Frankenreich seine Grenzen aus, wurden jene sechs westgermanischen Stämme zum deutschen Volke vereint, wurde der Lebensraum des deutschen Volkes erweitert und gesichert. Das zeigt besonders unter Karl dem Großen die Unterwerfung Sachsens und die Slawenmission. Aber auch später blieb es so: die Eroberung und Ger- manisierung des slawischen Ostens seit dem 12. und besonders dem 13. Jahrhundert erfolgte mit Hilfe der Kirche, der Geistlichen und Mönche. Dazu kommt noch die Bedeutung der Kirche im Innern des Deutschen Reiches. Die Bischöfe waren bekanntlich die Hauptstützen der Verfassung und mindestens in karolingischer und ottonischer Zeit erwies sich die Kirche als Macht der Reichseinheit gegenüber den dynastischen Teilungsbestrebungen und — im engeren Deutschen Reiche — gegenüber dem Partikularismus der Stämme. Die staatliche Organisation fand eine Stütze an der kirchlichen; besonders bei der Angliederung neuer Ge­biete, z. B. im Südosten. Der Glaube an die Verpflichtung des fränkischen Königs zur Heidenbekehrung, zur Errichtung des imperium christianum, der Karl den Großen erfüllt und im römisch-deutschen Reiche weiterlebt (Otto III.; Slawenmission seit Lothar; Traum vom Endkaiser!) war nur ein Vor- 38 38 Darin stimmen heute die namhaftesten Vertreter der german. Religions­geschichte überein; vgl. z. B. F. R. Schröder 1. c. 152, und Jan de Vries 1. c. 222. 19

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