Historische Blätter 7. (1937)

Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur

austauscbes anzusehen20. Wie dem aber auch sei, fest steht durch die neuere Forschung erstens die Tatsache südlicher und südöstlicher Kultur­einflüsse und zweitens die Tatsache, daß diese Einflüsse, bewirkt durch regen Austausch materieller und geistiger Güter, jedenfalls bereits in der Bronzezeit nachweisbar sind, daß ihnen Germanien besonders zur Zeit des römischen Imperiums offen stand und daß die Kulturzusammenhänge durch die Völkerwanderung ungeheuer gesteigert wurden 29 30 *. Besonders wichtig scheint es mir nun, daß keineswegs bloß semiti­sche Elemente entlehnt wurden, sondern auch reiches arisches, zumal persisches Gedankengut, wie es eben die Kultur des synkretistischen Hellenismus neben semitischen Vorstellungen enthielt. Selbst durch das Christentum, das auf die germanischen Völker schon in deren heidnischer Zeit einzuwirken begann, konnten arische Vorstellungen vermittelt werden, wie z. B. die persische Vorstellung der Welterneuerung sich in der Bibel ebenso findet wie in der Edda. Es ist jedocb auch möglich, daß solche Juden und Germanen gemeinsame Vorstellungen von beiden getrennt aus derselben Quelle bezogen wurden. Germanische und christliche Religion zeigen jedenfalls manches Verwandte, das sich entweder durch christliche Vermittlung oder eben als wurzelverwandt erklärt81. So erscheint die Annahme des Christentums schließlich fast als der Abschluß einer langen Entwicklung, mindestens als nichts völlig Neues im kulturellen Leben der Germanen. Aber während bis jetzt die im Laufe sehr langer Zeiträume von der germanischen Religion aufgenommenen fremden Elemente völlig germanisiert werden konnten, wie etwa die heroische Formung der eschatologischen Motive oder der heidnisch­germanische Aufschwung, der sich zur Römerzeit zugleich mit der Romanisierung der Form (arae mit Weiheinschriften besonders auf Mercur- Wodan) vollzog, beweisen, wurde jetzt durch den verhältnismäßig plötz­lichen Einbruch einer geschlossenen Fülle fremder Elemente, durch die Annahme einer fremden Religion als Ganzes das germanische Wesen ernstlich gefährdet. Oder wird es auch jetzt noch seine umformende Schöpferkraft bewahren, ja vielleicht gerade im Kampf besondere Kräfte entfalten können? Die Frage ist die: Bot die germanische Religion, wie sie unmittelbar vor der Christianisierung — im besonderen um die Mitte des 8. Jahrhunderts in Sachsen — noch lebte, oder das Christentum dem germanischen, deutschen Wesen bessere Entfaltungsmöglichkeiten? Denn 29 Hempell. c. 189, 191. 30 Jan de Vries, 1. c. 90. 11 Hempel 1. c. 192 ff. 16

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