Historische Blätter 7. (1937)

Paul Kletler: Karl der Grosse und die Grundlegung der deutschen Kultur

Schaft große Aussicht auf Erfolg. Auch als seit Karlmann und Pippin der fränkische Einfluß in Sachsen vorzudringen begann, war das für die Angelsachsen nur ein Ansporn zur Verstärkung ihrer Bemühungen: Zahl­reiche Angelsachsen warteten um die Mitte des 8. Jahrhunderts in Eng­land nur auf eine günstige Gelegenheit, um als Missionäre zu den Sachsen zu gehen l6. Ein Sieg der angelsächsischen Mission hätte aber wohl auch politische Bindungen für die als Christen bündnisfähig gewordenen Sachsen zur Folge gehabt, ihr Weg hätte sich von dem der übrigen deutschen Stämme möglicherweise völlig getrennt. Wären aber die Sachsen politisch unabhängig geblieben, hätte nicht dann von ihnen aus — wie es ja im 10. Jahrhundert wirklich der Fall sein sollte — die deutsche Reichsbildung erfolgen können und wäre das nicht für die Bewahrung und Entwicklung des deutschen Wesens besser gewesen, da doch die Sachsen als einziger deutscher Stamm noch an der alten germanischen Religion und auch an ihrer alten republikanischen Verfassung festhielten, während alle übrigen Westgermanen, deren Reiche auf römischem Boden lagen, unter der Einwirkung römischer Anschauungen längst zur Monarchie übergegangen waren ? Hierauf läßt sich antworten: Hatten auch die Sachsen im 5. und 6. Jahrhundert eine ungeheure Expansionskraft ent­wickelt, England und die nordfranzösischen Küsten besetzt, ja hatten sie im 7. Jahrhundert ihre Angriffe sogar gegen die Franken gerichtet, so waren sie doch vorher und dann wieder seit etwa 720 eben den unauf­haltsam vordringenden fränkischen Eroberern gegenüber, die alle anderen deutschen Stämme in Abhängigkeit brachten, stets in der Verteidigung. Es scheint fast unmöglich, anzunehmen, daß sich dieses Verhältnis auf einmal hätte umkehren können. Wären aber auch die Sachsen als erobernde Reichsgründer aufgetreten, sie hätten dem deutschen Volke wohl weder auf religiösem Gebiete noch in der Verfassung eine germani­sche Regeneration gebracht. Denn sie wären höchstwahrscheinlich doch Christen geworden. Zu dieser Annahme berechtigt schon die Tatsache, daß alle anderen deutschen Stämme und überhaupt der größte Teil aller Germanen bereits Christen waren. Und was die Verfassung anlangt, so war beim Beginne der Sachsenkriege Karls des Großen die Krise der alten aristokratisch-republikanischen Verfassung bereits in vollem Gange. Die zwei unteren Stände der Freien und Liten unter Widukinds Führung standen feindselig dem Adel gegenüber, bereit, dessen bevorrechtete Stellung zu stürzen. Es war nicht so, daß die Revolution in Sachsen erst die Folge des fränkischen Angriffs und des Übertritts der Edlinge zum 15 15 MG. Epp. ID, n. 137. 11

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