Historische Blätter 5. (1932)
Ferdinand Bilger: Karl Albert von Sardinien und General Thurn
Wir erfahren, daß Karl Albert kurz nach Mitternacht Novara in einem Wagen der Königin in der Richtung auf Orfengo und Vercelli verlassen hat, daß auf dem Kutschbocke Gamallero und Valletti saßen, daß nach kaum einer Stunde der Reisende bei einer österreichischen Vorpostenbatterie aufgehalten wurde. Der österreichische Vorpostenoffizier, dem Karl Albert sich als ein „conte di Barge“, Oberst des sardinischen Heeres, vorgestellt hatte, ließ das Gefährt in den nahen Meierhof, wo das Korpskommando des Generals Grafen Thurn etabliert war, geleiten. Graf Thurn selbst kam erst um 5 Uhr morgens, sei an den Wagenschlag getreten und habe den Conte di Barge nach seinem Passe gefragt, der von dem Kommandanten in Novara ausgestellt war. Darauf sei der Reisende eingeladen worden, den Wagen zu verlassen und in einem Gemach (camera) des Hauses einem militärischen Verhör unterzogen werden (fu interrogato). In seinen Antworten sei der König auf die Einzelheiten der Schlacht eingegangen, habe die strategischen Bewegungen der Österreicher gelobt und gesagt, daß ihr Sieg ein vollständiger sei (che la vittoria era stata compiuta). Er habe aber auch nachdrücklich betont, daß das piemontesische Heer tapfer und ehrenvoll gefochten habe, ein Eintreten für seine Armee, dem von seinen Unterrednern nicht widersprochen worden sei. Thurn und seine Offiziere hätten den Hochsinn, den Adel der Gebärden und der Sprache des Reisenden bewundert und seien geneigt gewesen, ihn eher für einen Diplomaten als für einen Soldaten zu halten. Thurn bot ihm eine Tasse Kaffee an, die der König nicht zurückwies (ch’egli accettö). Dennoch sei der Verbannte erst auf das Zeugnis eines gefangenen Bersagliere um 8 Uhr morgens freigelassen worden. Der Bersagliere habe zwar seinen König erkannt, aber zugleich auch bestätigt, daß es der Oberst Conte di Barge sei. „So unglaublich es scheint, — damit endet der Bericht Cibrarios — es bleibt die Tatsache bestehen, daß die Österreicher Karl Albert nicht erkannten.“ Wir kommen auch auf diesen Bericht noch einmal näher zurück. Bei solchem Stande der gedruckten Quellen auf beiden Seiten ist es selbstverständlich, daß ein gewissenhafter Forscher, dem es daran lag, die Vorgänge der Nacht des 23. auf den 24. März authentisch festzustellen, auf den Gedanken kommen mußte, in den österreichischen Feldakten nach einer Bestätigung der einen oder anderen Fassung zu suchen. In diesem Sinne wandte sich der ausgezeichnete italienische Forscher Alessandro Luzio, damals Direktor des Staatsarchives von Mantua, im April 1900 durch die Vermittlung Heinrich Friedjungs an die Leitung des k. u. k. Kriegsarchives in Wien mit der Frage, ob „General Thurn über diesen Vorfall in das österreichische Hauptquartier Bericht erstattet 8