Historische Blätter 5. (1932)

Ferdinand Bilger: Karl Albert von Sardinien und General Thurn

biographischem Lexikon Höhepunkt und Abschluß der Legende über die Nacht des 23. auf den 24. März. In bedauernswerter Verkennung des schweren Schicksales einer unzweifelhaft heldenmütigen Persönlichkeit spricht Wurzbach von einem tragikomischen diplomatischen Nachspiel, erzählt dann die Geschichte der Begegnung im selben Sinne wie Schön­hals, schließt aber daran, wie man sieht, im Widerspruch zu Hack- länders zweiter Fassung, eine neue Version: Thurn habe an seinen nächt­lichen Besucher den gewünschten Paß ausgestellt, „ohne sich zu verraten, daß er in ihm sogleich den König Karl Albert erkannt habe“. Aber er fand, es sei das klügste, ihn laufen zu lassen, um jeder Verlegenheit aus dem Wege zu gehen. Und Radetzky, dem er sogleich darüber berichtete, habe das Verfahren mit den Worten gebilligt: „Ebenso fein als Diplomat, wie unternehmend als Soldat. Ganz einverstanden 6.“ Wir kommen auf diese Darstellung ausführlich zurück. Wie Lamarmora auf Grund des Zeugnisses des Kabinettskuriers Gamallero die Geschichte dieser Episode bewertete, haben wir oben ge­sehen. Wie sprechen die anderen italienischen Quellen über diese Be­gegnung? Bei der Enthüllung des Denkmals für Karl Albert im Jahre 1900 in Rom wurde in der Festschrift ein Autogramm des Königs repro­Italien vom 20. März bis 1. April 1849“ in Wien (Verlag der Staatsdruckerei) 1850 erschien. Das Buch von Josef Strack, Die Generale der österreichischen Armee (Wien 1850), das „nach den Feldakten“ gearbeitet ist, enthält ebensowenig einen Hin­weis wie die offizielle Darstellung im Ehrenbuche des „Österreichischen Militär- Maria-Theresien-Ordens“, dessen Biographien der Ordensritter „auf Grund authen­tischer Quellen“ geschrieben sind. Auch die nach den Akten des Kriegsarchives niedergeschriebene, sehr zuverlässige und kriegsgeschichtlich wertvolle Darstellung von A. Hilleprandt (Wien 1864, ohne Namen erschienen), „Der Feldzug in Piemont im Jahre 1849“, spricht nicht von der in Frage stehenden Episode. 6 Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 45, Wien 1882, S. 122. Artikel: Georg Graf Thurn-Valsassina. Die in Betracht kom­mende Stelle der Biographie lautet in ihrem vollständigen Text: „Dieser glorreichen Waffenthat (Novara) ... sollte als tragikomischer Epilog ein diplomatisches Nach­spiel folgen. Schönhals, der beredte Berichterstatter der Ereignisse von 1848 und 1849 in Italien, erzählt nämlich, daß nach der Schlacht, als Thurn mit seinen Offi­zieren kameradschaftlich beisammen war, ein piemontesischer Oberst gemeldet wurde, der Carlo Albertos Abdankung vorgebend, erklärte, sich nun, da Alles zu Ende, auf seine Güter begeben zu wollen, und um Passirung ersuchte. Thurn habe ihm eine Tasse Kaffee geboten und die gewünschte Legitimation ausgestellt, ohne sich zu verrathen, dass er in ihm sogleich den König Karl Albert erkannt habe. Aber er fand, es sei das Klügste, ihn laufen zu lassen, um jeder Verlegenheit aus dem Wege zu gehen. Und Radetzky, dem er sogleich darüber berichtete, habe das Ver­fahren mit den Worten gebilligt: „Ebenso fein als Diplomat, wie unternehmend als Soldat. Ganz einverstanden.“ 6

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