Historische Blätter 5. (1932)
Ferdinand Bilger: Karl Albert von Sardinien und General Thurn
Diese Beifügung Hackländers in dem zu Ende 1849 geschriebenen Buche isi nicht unverdächtig. Die Buchdarstellung Hackländers ist nämlich wörtlich seinem eigenen ursprünglichen Berichte an die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ vom 27. März 1849 (erschienen in der Nummer 92 vom 2. April 1849) entnommen, mit demselben gleichlautend, nur daß in seinem ersten Berichte eben jene, fürstlichen und königlichen Personen gebührende Anrede „Sire“ nicht enthalten ist 4. In den offiziellen Darstellungen, die bald nach dem Kriege auf österreichischer Seite erschienen, ist über die näheren Umstände der Reise Karl Alberts durch die österreichischen Linien überall geschwiegen5. Dagegen bildet die Lebensbeschreibung des Grafen Thum in Wurzbachs Graf Thurn, in einem kleinen Landhause, einige Miglien von der Stadt entfernt, aufhielt, fuhr gegen 1 Uhr, begleitet von Husaren der Vorposten, eine Berline vor, aus welcher ein langer hagerer Mann stieg, dessen ernstes und düsteres Gesicht von einer erschreckenden Blässe bedeckt war. Er wünschte den Commandanten des vierten Corps zu sprechen und nachdem er zu demselben geführt war, sagte er ihm, er sey Graf Barge, piemontesischer Oberst, der den Dienst verlassen habe und nach Nizza gehen wolle. Die Armee, setzte er hinzu, sey vollständig geschlagen und befinde sich in gänzlicher Auflösung, ja in offenbarer Meuterei gegen die Officiere, welche der Plünderung der eigenen Landsleute Einhalt zu thun bemüht seyen. Auf die Frage Graf Thurns, ob die Stadt wieder befestigt sey, antwortet der Oberst: „Nein, die Basteien sind schon längst abgefahren und zerstört, neue Schanzen sind nicht errichtet worden und das Castell, die Citadelle hat auch keine Befestigung mehr.“ Darauf bat er frei passiren zu dürfen und Graf Thurn, der ihm in der kalten Nacht — der Regen goss in Strömen herab — eine Tasse Kaffee anbot, die der Fremde dankbar annahm, lässt ihn ziehen, sagt ihm aber beim Einsteigen: Sire, je vous souhaite un bon voyage. Ein junger Mann, der draussen gewartet, setzt sich ebenfalls in den Wagen und so schnell die Pferde laufen konnten, fuhren sie davon. Es war Karl Albert; so verhess er sein Heer, nachdem er der Krone, wohl mit schwerem Herzen, zu Gunsten seines Sohnes entsagt hatte.“ — Über die Bedeutung von Sire im Sinne von Allergnädigster Herr, als Anrede für Kaiser und Könige, siehe Sachs- Villatte, Dictionnaire encyclopédique, S. 755. 4 Die Einfügung in Hackländers Buchdarstellung gegenüber dem ursprünglichen Berichte erfolgt nach den Worten „lässt ihn ziehen“ und lautet: „sagt ihm aber beim Einsteigen: Sire, je vous souhaite un bon voyage“. — Über „Hofrath“ Hackländer als Berichterstatter der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ vgl. Karl Graf Schönfeld, Erinnerungen eines Ordonnanzoffiziers Radetzkys, S. 94. Die Berichte Hackländers in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ sind mit der Chiffre h Mailand gezeichnet. Vgl. „Augsburger Allgemeine Zeitung“, 1849, Bd. 1, S. 1207 und S. 1194. — Der Unterschied in den beiden Fassungen ist auch Alessandro Luzio, von dessen Forschungen in diesem Gegenstände noch näher gesprochen werden wird, entgangen, da er die Berichte der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ nicht kannte. 5 So fehlt jede Andeutung darüber im österreichischen Generalstabswerk, das unter dem Titel „Kriegsbegebenheiten bei der Kaiserlich Österreichischen Armee in 5