Historische Blätter 5. (1932)
Ferdinand Bilger: Karl Albert von Sardinien und General Thurn
und militärischem Anstand fortgeführt ward und sich grösstentheils über die Ergebnisse des heutigen Tages verbreitete. Endlich Unterzeichnete Thurn den Pass und der Fremde stieg wieder in seinen Wagen, der davon rollte. Das war Karl Albert, einst König von Sardinien, nun ein Privatmann, ein Asyl an den fernen Küsten Portugals suchend...“ Dieser Erzählung gegenüber hat Lamarmora in seinem Buche „Un episodio del risorgimento italiano“ das Zeugnis des Kabinettskuriers, der den unglücklichen Fürsten begleitete, Gamallero, angeführt, nach welchem der König auf seiner Fahrt durch die österreichischen Linien niemals seinen Wagen verlassen habe („non usci mai di car- rozza“2). Lamarmora bezeugt in seinem Buche an derselben Stelle ausdrücklich seine Hochachtung vor dem ritterlichen Geiste („spirito cavalleresco“) der österreichischen Generäle, von dem er mehrfach Proben erfahren habe. Aber diese „generositä cavalleresca“ habe, so fährt er fort, auch ihre bestimmten Grenzen, namentlich im Kriege. Vor allem aber sei es nicht anzunehmen, daß der Kommandant eines detachierten Korps, der von dem eben erst angetragenen Waffenstillstände nichts wissen konnte, ohne den Befehl des Feldherrn einzuholen, eben jenen feindlichen Souverän frei passieren lassen durfte. Wenn aber eine derartige Großmut stattgefunden hätte, so würde der Feldmarschall Radetzky in seinem offiziellen Berichte sich derselben sicher gerühmt haben. Wenn man nun die Erzählung von Schönhals genau studiert, so findet man, daß eine ausdrückliche Bemerkung, es habe General Thurn den König erkannt und trotzdem passieren lassen, in seiner Darstellung fehlt. Die Frage, ob erkannt oder nicht erkannt, ist bei wörtlicher Prüfung des Textes offengelassen. Wohl aber bringt ein anderer Schriftsteller, der 184Q das österreichische Hauptquartier auf dem kurzen Feldzuge gegen Piemont begleiten durfte, F. W. Hackländer, in seinen „Bildern aus dem Soldatenleben im Kriege“ die im wesentlichen selbe Erzählung wie Schönhals mit einem Beisatze, nach welchem es General Thurn nicht verborgen geblieben war, daß in jenem Augenblick der König von Sardinien vor ihm stand. Graf Thurn habe, so heißt es in dem Buche Hackländers, den König mit der Anrede ziehen lassen: „Sire, je vous souhaite un bon voyage 3.“ 2 Lamarmora, Un episodio del risorgimento italiano, Florenz 1875, S. 175 ff. 3 F. W. Hackländer, Bilder aus dem Soldatenleben im Kriege, Stuttgart, Cotta 1849, „Feldzug in Italien“. Die Vorrede (Widmung an Radetzky) ist datiert: Stuttgart, 2. November 1849. Die angeführte Stelle S. 226f. lautet: „In der Nacht nach der Schlacht von Novara, als sich der Commandant des vierten Armeecorps, 4