Historische Blätter 5. (1932)

Dr. Julius Marx: Eine vormärzliche Wirtschaftskrise im Lichte der amtlichen Berichte

Staaten für die böhmischen Erwerbszweige belastende Maßnahmen. Be­sonders unangenehm machten sich die Elbzölle fühlbar, weshalb fort­während die Revision der Elbeakte verlangt wurde. Man wünschte ein leidliches Verhältnis, um den bisher üblichen, auch der Staatsverwaltung bekannten Zollbetrug aufgeben zu können, doch sollte die Regierung vor neuen Verfügungen den Rat bewährter Männer einholen, man fand über­haupt die Schaffung von Handelskammern an der Zeit. Bedrängt waren die Zuckerfabriken 9, die chemische Industrie. Kolonialzucker und Farb­stoffe kamen billiger über Hamburg. Andrerseits gingen heimische Roh­stoffe, z. B. ungarischer Weinstein zur Säureerzeugung, hinaus und das Inland mußte draußen die Fertigware kaufen. Die Klavierfabrikation war durch den Vereinszoll von 28 bis 30 preußischen Talern aufs Stück konkurrenzunfähig, daher zu Einschränkungen gezwungen, Absatz er­möglichte lediglich die zollfreie Durchfuhr nach Hamburg. Andere Zweige, wie die Huterzeugung, die Lederindustrie, die Großuhrenfabri­kation, die sich auf den Zollschwindel glänzend verstanden, standen trotz riesiger Zölle gut, auch das blühende Handschuhmachergewerbe war wenig berührt. Da aber die rohen Ziegenfelle eine 100%>ige Preis­steigerung (auf 60 fl. für 100 Stück) erfuhren, die auf die starke Aus­fuhr zurückging, die auch beim lackierten Kalbleder stieg, wünschten die Handschuhmacher Hemmung der Rohstoffausfuhr, den gleichen Wunsch, aber auf Eisen bezogen, hatten die Eisengewerbe in Oberöster reich. Für die Textilindustrie war England der größere Feind. Die Schafwolle, ein Hauptausfuhrsgegenstand Österreichs, sank in Böhmen ständig im Preise, im Dezember 1839 um mehr als 30 fl. K.-M. pro q! Ver­suche in überseeischer Wolle hatten gute Ergebnisse gezeitigt, in Kürze mußten die europäischen Staaten als Wollerzeuger ausgespielt haben. Der Prager Wollmarkt bot ein so klägliches Bild, daß ihn der Stadt­hauptmann aufgehoben wissen wollte. Man verkaufte lieber unter der Hand nach Breslau, wo sich bessere Ergebnisse erzielen ließen. Zwei schwere Schläge erlitten die Baumwollspinnereien; Ende 1839 fallierten mehrere amerikanische Handelsfirmen, im August 1840 trat unvermutet ein zehnprozentiger Preissturz in London ein, das zwang einige böhmische Fabriken, die sich vorzeitig eingedeckt hatten, zur Betriebseinstellung. 9 Slokar, S. 574—609. — Zenker, S. 72, 264 f. — Pr. B. f. Nov. u. Dez. 1839, Februar u. Nov. 1840. — Hemmend wirkte die rückständige Erzeu­gungsweise (1840 arbeiteten von 52 böhm. Zuckerfabriken nur 7 mit Dampf), för­dernd die Steuerfreiheit, die von den Kolonialzuckerraffinerien sehr angefeindet wurde, wobei sie (Pr. Aprilb. 1846) auf die fast 2 Mil. fl. Zollverlust des Staates verwiesen. 43

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