Historische Blätter 5. (1932)
Dr. Julius Marx: Eine vormärzliche Wirtschaftskrise im Lichte der amtlichen Berichte
zu versuchen, hat sich seit einiger Zeit sogar der gemeinsten Menschen bemächtigt, von denen man kaum glauben würde, daß sie derlei Geschäfte auch nur dem Namen nach kennen“, klagt der Polizeioberdirektor. Selbst erfahrene Börseaner entsannen sich nicht eines gleichen Zulaufs seit den Tagen der Bankozettel. Losanleihen, die 4% abwarfen, Bankaktien und Eisenbahnwerte wurden bevorzugt und so hoch getrieben, daß selbst aus dem Auslande Papiere zur Realisation übersandt wurden. Erfolglos versuchten die Behörden den „Schwindelgeist“ abzustellen. Die günstige Wendung, die sich im Frühjahr in Böhmen vorzubereiten schien — der Wechseldiskont betrug 472, der Sparkassenzinsfuß 4% — wurde durch die schlechten Handelsergebnisse zunichte, was namentlich die Kleinhändler hart traf, denn die häufigen Fallimente hatten auch hier den Kredit erschüttert. Geldanlage in industriellen Unternehmungen galt als etwas Unsicheres, die Kapitalisten zogen das Hypothekengeschäft vor, weshalb Realitäten enorme Wertsteigerungen erfuhren, besonders in der rasch wachsenden Prager Vorstadt Karolinenthal. Wie in kritischen Zeiten die Zünftler stets die „Überfüllung der Gewerbe“ beklagten, so die Kaufleute die „Ausverkäufe“ jüngerer Standesgenossen. „Allgemein wird diese Stagnation im Handel und Wandel dem Nichtanschlusse Österreichs an den deutschen Zollverein zugemessen und dieser Umstand als eine Kalamität für so viele vaterländische Gewerbe bezeichnet, welche in der Folge noch mehr und in eben demjenigen Verhältnisse gedrückt werden dürften, je mehr die kommerzielle Suprematie Preußens durch erneute Zollverträge mit auswärtigen Staaten an innerer Konsistenz gewinnt und die Gelegenheit zum Absatz österreichischer Fabrikate und Manufakturen beschränkt wird 8.“ In der Tat machte sich des Zollvereins Wettbewerb drückend fühlbar. Böhmen ist durch sein Flußsystem enger mit seinen Staaten verknüpft, Hamburg, nicht Triest, war sein Hafen. Da Österreich sich weder anschloß noch von der Prohibition abwich, ergriffen die deutschen 8 Springer, I., 464. — Beer, Die Finanzen..., S. 150. — „Österr. i m J. 1840“, II., 173 ff. — V. B i b 1, Von Revolution zu Revolution, Wien 1924; S. 32 f. — St.-A., M. K. A., Z. 872, 893 (Kolowrats Votum), 1300 u. 1927 ex 1840; B. Choteks, Z. 236 u. 372, dazu Kiibeck, 940 ex 1841. — Polizeiakt 5518 ex 1840 (Wien). Wr. B. f. Nov. 1839 bis Juli 1840; Dez. 1841. Br. B. f. 1840. — Lz. B. f. März bis Mai 1840. Gr. B. f. Jänner bis April 1840. Pr. B. f. Nov. u. Dez. 1839; Jänner, Februar, April, Mai, Okt. u. Dez. u. 1. Hj. 1840; Februar 1841. — Aus Böhm, allein wurde 1840 f. mehr als 4 Mill. fl. Silbergeld ausgeführt. — Für den Orient „sammelten“ die Freiherren Sina u. Dietrich Silber. 42