Historische Blätter 5. (1932)
Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow
Monarchen immer noch fest stehe. Gorcakow, der nie sein Gönner gewesen, mußte sich damit begnügen, es Langenau klarzumachen, daß man keine andere Wahl gehabt habe und daß der General von Alexander und vom Kanzler selbst die versöhnlichsten Instruktionen bekommen habe — außerdem, daß er als Urheber des Friedens von San Stefano besser als irgendein anderer imstande sei, die nötigen Erklärungen abzugeben 110 1111 Der Chauvinismus, der kriegerische Rausch, den die spätgewonnenen, aber glänzenden militärischen Erfolge in der Presse und im Publikum erzeugt, kamen unfehlbar Ignatiew zugute. Alle Mühen waren vergessen, man glaubte, Rußland sei zu allem imstande, und vor den finsteren Drohungen Großbritanniens zurückzuweichen, kam nicht in Frage. Der Staatskanzler sah zweifelsohne den Ernst der Lage ein, wenn auch seine Sorge um seine Popularität, die Furcht, seinen hohen Posten zu verlieren, seinen Widerstand lähmen konnten. „General Ignatiew aber, der böse Genius Rußlands, wie ich ihn nennen möchte, ist der Mann des Tages, il a le haut du pavé, und arbeitet gewiß dem Fürsten Gortschakow entgegen“ (Langenau 7. April 1878). Er wurde auch als künftiger zweiter Bevollmächtigter Rußlands bei dem nunmehr verabredeten Großmächtekongreß in Berlin genannt — es sei, meinte der Gesandte Franz Josephs, vielleicht für den Kanzler besser, ihn dort unter seinen Augen zu haben, als ihm daheim in der Kaiserstadt an der Newa freie Hand zu lassen 1X1. Offenbar war der frühere Botschafter in Konstantinopel der Kandidat der panslawistischen Partei zum Staatskanzlerposten. Wenn auch Baron Jomini in gewisser Hinsicht wahrheitsgemäß den Satz verfocht, die Presse habe die sogenannte öffentliche Meinung geschaffen, die ganze Krise und der Krieg selbst seien von einer kleinen, aber rührigen Gruppe 110 Langenau an Andrássy 17. Febr./l. März 1878 (Privatbrief): „Factisch ist, daß der Fürst, während seines Bukarester Aufenthaltes den politischen Geschäften ziemlich ferne stand, vieles erst erfuhr, als es schon beschlossen war, und daß General Ignatiew bei Redaction der aus Poradim am 9. Dezember/27. November nach Wien abgegangenen Notizen, die Hand mehr als nothwendig im Spiele gehabt haben mag“; 5./17. Febr.: mit einem: Ausschnitt aus „Journal de St. Péters- bourg“, der die Stillstandskonvention in Adrianopel vom 31./19. Jan. 1878 mit „les bases préalables de paix“ enthält; 3./15. Jan,: General Ignatiew I. ist Graf geworden, General Ignatiew II. Mitglied des Reichsrates (was der Vater schon vorher war); 15./27. März („réservée“): die Mission an den habsburgischen Hof. Wien. 111 Langenau an Andrássy 26. März/7. April (Privatbrief); Telegramm von Langenau 17. März 1878: „G1 Ignatiew accompagne le Pce ä Berlin comme second plénipotentiaire. II est peut-étre mieux lä sous le Chancelier, que s’i! restart id.“ Wien. 133