Historische Blätter 5. (1932)

Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow

Gorcakows verfinstert waren und ein Dritter in außenpolitischen Fragen die erste Stelle im Vertrauen des Kaisers einnahm. Graf Peter Suwalow, so glänzend auch seine Stellung der Welt erschien, als er neben Gorca- kow und Oubril als der Zweite unter den Repräsentanten des russischen Kaisertums an den Ratschlägen in Berlin hervorragenden Teil nahm, hatte von jeher mit fühlbaren Schwierigkeiten und vielen Gegnern zu ringen: sein Verhältnis zum Kaiser und zum Thronfolger wurde durch gewisse persönliche Zwistigkeiten erschwert, die Freundin Alexanders II. und später dessen Gemahlin, die Fürstin Katharina Dolgorukij, war seine Feindin. Zu denen, die ihm entgegenarbeiteten, dürfte man auch unzweifelhaft die Russen zu zählen haben, die eine freiere Gesellschafts­ordnung wünschten, denn in dieser Beziehung schien von dem früheren Vorsteher der „dritten Sektion“ nicht viel zu hoffen. Sichere Widersacher besaß er in den Panslawisten. Als das Kabinett Beaconsfield nach der Kapitulation Osman Paschas (10. Dezember 1877) seinen Protest gegen eine Okkupation von Konstantinopel oder Gallipoli erneuerte, setzte Suwalow seinen Einfluß in Petersburg ein, um Maßregeln abzuwehren, die sichtbar zum Kriege mit England führen mußten. Dieser Eingriff war aber in den Augen fanatischer Eiferer ein Verbrechen, ein Verrat: man sagte jetzt, es sei die Schuld Suwalows, daß der kurze, günstige Augenblick unwiderruflich verlorengegangen sei108. 108 Langenau an Andrássy 12./24. Okt. 1877 (Privatbrief): „Ich muß dabei wiederholt auf meinen ganz ergebenen Privatbrief vom 10. Oktober/28. September und auf den darin genannten Grafen Peter Schuwalow hindeuten, der meiner innigsten Überzeugung nach der einzige Mann wäre, um wieder einige Ordnung in die hiesige Zerfahrenheit zu bringen. Ob aber seiner Zeit und bei seinen vielen Feinden, die Wahl auf ihn fallen wird, möchte ich allerdings nicht verbürgen“; 2./14. Dez. (Dito): „Vor Allem fragt es sich indessen, ob die vielen Feinde des Grafen Schouwalow, zu welchen auch namentlich der Thronfolger gehört, ihn aufkommen lassen würden“; 1./13. März 1878 (Dito): „Die Schwierigkeiten, welche derselben in gewissen Reibungen Schuwalow’s mit dem Kaiser und dem Thron­folger entgegenstehen, wären wohl nicht unüberwindlich, und wenn Seine Majestät Sich zu dieser Wahl entschlösse, so wäre es jedenfalls ein erfreulicher Beweis, daß der Kaiser Seine persönlichen Gefühle dem allgemeinen Wohle des Reiches unterzuordnen weiß, denn daß von allen genannten Candidaten Schuwalow der geeignetste wäre, unterliegt für mich nicht dem geringsten Zweifel.“ Wien. — Über die Fürstin Dolgorukij: Baron v. Mayr an Andrássy St. Petersburg 30. Aug./ll. Sept. 1878. Wien: „Die Fürstin zählt zu den erbittertsten Feinden dieses Staatsmannes“; vgl. unten S. 139f. und Schweinitz, Denkwürdig­keiten, II S. 95. — Die Freunde einer freien Staatsverfassung („diejenigen..., weiche freiheitliche Institutionen für Rußland wünschen“) gegen Suwalow: Lan­genau an Andrássy 28. April/10, Mai 1878 (Privatbrief). Wien. — Suwalow 9* 131

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