Historische Blätter 5. (1932)

Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow

frommen, und da der gegenwärtige Krieg vielleicht noch nicht die Vertreibung der Türken aus Europa zur Folge haben werde, müsse eine Übereinkunft getroffen werden, durch welche ein Stück der Küste wenigstens in den „mittelbaren“ Besitz Rußlands übergehe. Bei dem nächsten Kriege, oder als eine spätere Konsequenz des jetzigen, müßten dann beide Ufer unter russische Herrschaft treten, kraft des heiligen und unnachläßlichen Rechtes Rußlands als der leitenden Schutzmacht der Slawen und der orientalischen Christen; mit demselben Rechte werde das Zarenreich auch die Donaumündungen in seine Hand nehmen 101. Obschon die Forderungen Danilewskijs in San Stefano und auf dem Berliner Kongreß keiner Prüfung unterzogen wurden, verdienen sie Aufmerksamkeit, weil sie einer Strömung der russischen Politik einen volltönenden Ausdruck verleihen, die später lange Jahre auf die Diplo­matie Alexanders III. eine entscheidende Einwirkung ausübte. Nach Danilewskij folgte Fürst Wasilcikow, auch ein feuriger Pan­slawist, der in „Séwernyj Wéstnik“ („Der nordische Bote“) am 31. Ok­tober (a. St.) den Satz begründete, daß Rußland hinsichtlich des Schwar­zen Meeres und der türkischen Fänder in Asien von keinen übernommenen Verpflichtungen gefesselt sei. Rumänien dürfe in der Zukunft, wenn es größere Stärke gewonnen, kaum als Basis für russische Kriegsunter­nehmungen dienen wollen; da Rußland auf seinen Einfluß über die Balkanslawen niemals verzichten könne, werde dann eine unbeschränkte Herrschaft über das Schwarze Meer die notwendige Voraussetzung. In dem damaligen Kriege fehlte es gewiß viel, daß das Zarenreich seiner Schlagkraft zur See sich hätte rühmen können; vielmehr besaß die tür­kische Panzerflotte eine entschiedene Überlegenheit; es deuchte aber auch Fürst Wasilcikow, daß diese Seemacht vorzüglich dazu geeignet sei, den Kriegsschadenersatz zu bilden, den die Türkei mit ihren schlechten Finanzen in Geld nicht werde zahlen können. Es war dies ein Gedanke, der wirklich bei den Verhandlungen über den Präliminarfrieden zur Sprache gebracht wurde, obwohl der Zar sodann mit einer unsicheren, als Druckmittel aber immer brauchbaren und nützlichen Geldforderung sich begnügte 102. i°i Vgl. Goriainow, Le Bosphore et les Dardanelles, S. 347: die Forderung Gorcakows 18. Mai 1877, freie Ausfahrt aus dem Schwarzen Meere betreffend, und über das frühere Schriftstellertum Danilewskijs und General Fade- jews Alfred Fischei, Der Panslawismus bis zum Weltkrieg (Stutt­gart 1919), S. 395 ff. 102 Langenau an Andrássy 9./21. Nov. 1877. Wien. Goriainow, Le Bos­phore et les Dardanelles, S. 367: die Forderung bei den Friedensver­128

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