Historische Blätter 5. (1932)
Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow
mangelhafte Kriegsbereitschaft so kränkend schienen, daß sie seine Einladung in das Hauptquartier verzögerten — eine zu seiner Zeit aufsehenerregende diplomatische Affäre —; Schweinitz, dessen pessimistische Auffassung (Juni 1877) dennoch von Bismarck und Wilhelm I. bestritten wurde, der nur das Fehlen von Reserven gefährlich fand; endlich auch dem englischen Kriegskorrespondenten Archibald Forbes, der, nachdem er einige Zeit bei der russischen Armee in Armenien verweilt hatte, in „The Nineteenth Century“ am 9. November einen Artikel veröffentlichte, der nach Langenau viel Wahres, wenn auch nicht so viel Neues über die Mängel in der höchsten Leitung und im Generalstabe, über Nepotismus, Bestechlichkeit und Intrigenwesen enthielt. Man sagte übrigens, Forbes habe im Hauptquartier Großfürst Michaels eine unfreundliche Aufnahme gefunden und habe dann einen russischen Orden abgelehnt, um sich mit völliger Freiheit äußern zu dürfen 97. Es war unter den fachkundigen militärischen Beobachtern jener Zeit eine allgemein verbreitete Ansicht, daß die Türken mit besserer Leitung und besserem Zusammenwirken ihrer verschiedenen Heeresabteilungen die Russen über die Donau hätten zurückwerfen können müssen, ehe deren große Verstärkungen im Laufe des Herbstes angelangt wären, und daß der schließliche, den Russen günstige Ausgang mehr in den Fehlern des Gegners als in eigenen Verdiensten begründet war. Für die lange Stockung der Operationen — sicherlich um so mehr auffallend zu einer Zeit, als man die schnellen Siege der Preußen 1866 und 1870 in frischer Erinnerung- bewährte — wurde von den Mißvergnügten im Reiche des Zaren — und die Unzufriedenheit verbreitete sich in allen Schichten der Gesell87 Über Gorcakow siehe unten S. 132. — Von Wellesley: Langenau an Andrássy 13./25. April („seul exclu“), Telegramm 31. Mai (durch Graf Adlerberg eingeladen), 22. Mai/3. Juni (Privatbrief), 23. Juni/5. Juli (Dito). Es heißt den 3. Juni u. a.: „In früheren Berichten war ich so frei Euer Excellenz zu melden, daß die Stelhing des Oberstlieutenants Wellesley in Folge verschiedener, selbst in Gegenwart von Russen gethaner ungünstiger Äußerungen über die kaiserliche Armee, sehr gelitten hatte, und daß General Le Flő, der mir von dieser Sache sprach, sogar soweit gegangen war zu behaupten, die ungünstigen Berichte des englischen Militar-Attaché’s über die russische Armee, hätten zu der Haltung der englischen Regierung wesentlich beigetragen, welche in Folge dieser Berichte die russische Armee nicht für schlagfertig hielt.“ Wien. Vgl. oben S. 112f. mit Note 80. — Von Schweinitz: der Rat im kaiserlichen Gefolge Otto v. Bülow an Bernhard v. Bülow Ems 23. Juni 1877 (Ausfertigung). Berlin. — Von Forbes: Langenau an Andrássy 22. Nov./4. Dez. 1877. Wien. Der Artikel war betitelt: „Russians, Turks and Bulgarians at the theatre of war“. 125