Historische Blätter 5. (1932)

Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow

Wenn also das russische Kabinett in dieser Hinsicht ein gewisses Entgegenkommen gezeigt haben dürfte, war Fürst Gorca- kow um so mehr daran gelegen, daß kein Schritt von den Mit­gliedern des Dreikaiserbundes getan werde, der irgendwie eine Auf­munterung für die Türkei bedeuten könne. Er äußerte daher sein leb­haftes Mißfallen, als die deutsche Regierung sich entschloß, Prinz Heinrich VII. von Reuß — vorher Gesandter in Petersburg und durch seine Ehe mit einer Prinzessin von Sachsen-Weimar mit dem preußischen Königshause verschwägert — als Botschafter nach Konstantinopel zu senden, wo ein Geschäftsträger nicht genügend erschien, um sowohl die Untertanen Deutschlands als die russischen zu beschützen, die für die Dauer des Krieges unter deutsche Obhut gestellt wurden. Als Schweinitz die Mitteilung brachte, fuhr der Kanzler wie von einer Schlange gebissen auf: „Ah, vous vous rangez du cőté de l’Angleterre!... Vous faites une position magnifique pour la Turquie.“ Die Sache wurde begreiflicher­weise dadurch nicht besser, daß Österreich gleichzeitig seinen Gesandten Graf Zichy wieder dahin schicken wollte, der die Hauptstadt des Sultans mit den Spitzen der übrigen Großmachtsbotschaften nach der türkischen Ablehnung der Vorschläge der Januarkonferenz verlassen hatte. Der gern benützte Hinweis Andrässys auf die öffentliche Meinung und die Kammern hatte hier keine Wirkung, noch wollte Gorcakow zugeben, daß der neue britische Botschafter Layard der Überwachung bedürfe, denn nach den Nachrichten, die er bekommen, verhalte sich dieser aus­gezeichnet (er sei „parfait“). Um zu beruhigen und um den Eindruck zu mildern, fand man es in Berlin und in Wien klug, die Abreise Reuß’ und Zichys etwas zu verschieben 90. Aber die Berliner Regierung ließ auch Fürst Gorcakow wegen des Mißtrauens Vorstellungen machen, mit dem er alle deutschen Maßnahmen, auch solche, die allein zu Rußlands Nutzen ergriffen wurden, begrüße. Der Staatskanzler, noch zu jener Zeit „geistig frischer wie je, liebenswürdig wie immer“ nach Schweinitz’ Aussage, war jedoch nicht geneigt, sich zu fügen. Deutschland hätte persuade the Russians that when Parliament met, the Government would not be turned out, and the Opposition come in! A Mr. Alexander, a sort of envoy of Mr. Gladstone’s, had told them this.“ 90 Telegramme von Langenau 23., 25., 26., 27. April 1877; Telegramme von dem Ministerium in Wien an Langenau 24. und 27. April. Wien. — Schweinitz, Denkwürdigkeiten, I S. 416 f. (Gorcakows Ausfall). Goriainow, L e B o s- phore et les Dardanelles, S. 343f. Wertheimer, Graf Julius An­drás s y, III S. 15 f. 121

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