Historische Blätter 5. (1932)

Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow

lasse. Kopflos wäre sie gewiß gewesen, wenn der Fürst dadurch seine Schiffe verbrannt hätte; aber die Übereinkunft mit Österreich-Ungarn stand ihm in Wahrheit immer noch offen, und am 20. und 22. März konnten Stolberg und Schweinitz die am 18. geschehene Vollendung der Abmachung nach der Wilhelmsstraße berichten. „Hoffentlich“, schrieb dabei Kaiser Franz Joseph an Alexander II. in von Schweinitz aus dem Gedächtnis wiedergegebenen Wendungen, wo vertrauensvolle Worte ernste Besorgnisse verschleiern, „tritt die Convention nicht in Wirksam­keit, dann aber wird sie unseren Kindern von Nutzen sein. Hoffentlich werden die Ereignisse nie einen Gegensatz zwischen den Interessen unserer Völker herbeiführen.“ Der Zar antwortete in demselben Geiste, verbarg aber nicht, daß er derartige Hoffnungen kaum teile. Die Nach­richten aus England waren beunruhigend, und er glaubte, daß sich der Krieg schwerlich vermeiden ließe; wenn auch „das Protokoll“ (in Lon­don) zustande käme, so wäre es doch nur „un chiffon de papier“ 87. Die von Bismarck mit Interesse verfolgte Unterhandlung hatte ein kleines Nachspiel auf der deutschen Seite. Andrässy ließ dem Berliner Kabinette verschiedene Akten mitteilen, denen unsere Darstellung hier der Hauptsache nach gefolgt ist; man fand aber, darin sei der endgültige Vertragstext nicht enthalten (Bülow an Stolberg am 3. April). Andrässy machte Schwierigkeiten, ihn auszuliefem, unter dem Vorwände, daß der Wortlaut aus den schon übermittelten Akten hervorgehe; als man ihm schärfer zusetzte, stellte er jedoch Entgegenkommen in Aussicht. Aber die Zeit verfloß, und es bedurfte neuer Erinnerungen, ehe der Graf durch den Gesandten in Berlin Károlyi die Zusatzkonvention zur ausschließ­lichen Kenntnisnahme Bülows und Bismarcks vorzeigte (5. Mai). Das Aktenstück mußte schon am nächsten Tage zurückgegeben werden, aber inzwischen wurde, wie sich von selbst versteht, Abschrift genommen. Die Ursache dieser stark markierten Vorsicht war nach Andrässy vor allem die Gefahr, daß die Sache in England ruchbar werde. In diesem Zusammenhänge entwickelte Graf Károlyi ausführlicher die verschiedenen Möglichkeiten des russisch-türkischen Kampfverlaufes, die leicht das 87 Telegramme von Stolberg an das deutsche Auswärtige Amt Wien 2. und 10. März 1877 (Goröakows Äußerung in dem letzteren). Telegramme von Stolberg Wien 20. März, von Schweinitz St. Petersburg 22. März. Berlin. In dem letzteren werden in direkter Form, aber ohne Anspruch auf wörtliche Überein­stimmung Telegramme von Franz Joseph an den Zaren und vom Zaren an Franz Joseph wiedergegeben. — Die Unterschrift 18. März: Wertheimer in den Histori­schen Blättern, S. 456, Goriainow, Le Bosphore et les Darda­nelles, S. 336. 118

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