Historische Blätter 5. (1932)

Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow

in den Lord Beaconsfield eine besondere Zuversicht setzte, aber spätere Angaben über seine Haltung bringen gleichwohl jene Behauptung in ein etwas zweifelhaftes Licht80. * * * Die russische Regierung durfte sich unter diesen Umständen dazu beglückwünschen, daß sie ihre Konventionen mit Österreich-Ungarn unter Dach und Fach hatte. Die Unterhandlung hatte mehrere wechselnde Stadien durchgemacht. Der grundlegende Vertrag vom 15. Januar 1877 war in seinen Hauptzügen schon Mitte Dezember fertig, und Fürst Gorcakow ergriff damals die Gelegenheit, um in einem Schreiben an Nowikow in gewissen einzelnen Punkten eine für Rußland günstige Deutung womöglich festzulegen (15./27. Dezember). Auf mündliche Ver­sicherungen gestützt, die Kaiser Franz Joseph und Graf Andrässy dem Gesandten gegeben haben sollten, wollte er als vereinbart ansehen, daß die russischen Truppen gegen die Türken auch auf serbischem Boden kämpfen dürften, falls die Türkei nach dem Ausgang des Waffenstill­standes den Krieg in Serbien fortsetzte oder auch damit fortführe, das Gebiet des Fürstentums besetzt zu halten; sie sollten auch das Recht haben, im Falle einer absoluten militärischen Notlage sich dahin zurück­zuziehen. Es waren laut dem Staatskanzler mehr das Prinzip und der Geist der Konvention als ihr Buchstabe, die ihren Wert in den Augen Kaiser Alexanders ausmachten; dieser gebe sich der Hoffnung hin, daß die Übereinkunft gegenwärtig nicht in Kraft treten werde — weil er auf eine friedliche Lösung zählte —, sie werde dann aber für die Zukunft der Grundstein einer Eintracht („entente“) werden, die jedenfalls gute Früchte tragen müsse. Die schöne Phrase wurde ein im folgenden mehr als einmal von beiden Seiten variiertes Motiv. „Ich habe vor allem“, schrieb Alexander II. denselben Tag an seinen Oheim in Berlin, „das 80 Langenau an Andrässy 11./23. März. Wien. Buckle, Life of Dis­raeli, VI S. 173 ff. Es ist möglich, daß die Sprache Wellesleys in Petersburg vor allem darauf berechnet war, den Eifer der Russen zu hemmen. Jedenfalls hat er sich Königin Viktoria gegenüber nach den Beobachtungen noch einiger Monate und trotz der ersten Erfolge der Osmanen ganz anders ausgesprochen (8. August): „Colonel Wellesley was afraid England might think these Turkish victories might really change matters, and it was well we should know that in the end, though he thought it might take six months, the Russians were bound to win, as the Turks were too ill led and too ill provided. The Russians had too over­whelming a force to bring in action not to succeed. Therefore it was very im­portant that we should try and stop the war and prevent the Turks being too much weakened.“ Aus dem Tagebuch der Königin Osbome 8. Aug. 1877. Letters of Queen Victoria 1862—1878, II S. 560. 8 113

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