Historische Blätter 5. (1932)

Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow

Sicherlich wartete der Staatskanzler, sowohl aus persönlichen wie aus politischen Gründen, gespannt den Ausfall von Ignatiews Reise ab. Es gelang diesem, wie Langenau hervorhebt, in dem schmeichelnden Aufträge, den ihm der Kaiser verliehen hatte, viel von sich reden zu machen, ja sogar mit der Hilfe Salisburys die Mauer zu durchbrechen, die die englische Gesellschaft anfangs gegen ihn zu errichten geneigt schien. Er wurde dabei von seiner Gattin getreu unterstützt: Lord Beaconsfield hat, vielleicht mehr humoristisch als streng wahrheitsgetreu, einer Korrespondentin geschildert, wie sie in elegantem Kleid mit Dia­manten doch beim Anblick einer englischen Dame „erbleichte“, die unter den gehäuften Familienjuwelen dreier britischer Adelshäuser „wankte“. In Paris hatte er, um auf die Stimmung in England zu wirken, in der Zeitung „La France“ eine Andeutung von russisch-österreichischen Ab­machungen an den Tag kommen lassen — die einzige, die im Druck sichtbar wurde (15. März): „Le Général Ignatieff a dans ses bagages un certain nombre de conventions de la Russie avec quelques Puissances, sur lesquelles l’Angleterre a peut-étre tort de compter outre mesure. Rien n’est encore désespéré, et nous aimons ä erőire, que le général n’aura pas ä faire usage de ces révélations ...73“ Als dieser die englische Hauptstadt verließ, ehe das sogenannte Londoner Protokoll — der letzte gemeinsame Druck auf die Pforte — vollendet wurde, sah Langenau bei seiner Kenntnis der Persönlichkeit Ignatiews nichts Überraschendes darin, daß er eine so heikle Sache seinem Kollegen, dem Grafen Suwalow, zugleich seinem Rivalen und Widersacher, überließ. Nachher, und seitdem das Nein des Sultans auch diesmal alles zunichte gemacht hatte, lautete freilich die Kritik schärfer. Fürst Gorcakow sagte mit großer Offenheit General Langenau, daß er die Sendung Ignatiews nie gebilligt habe, aber eine andere, von ihm beabsichtigte Kombination sei nicht gutgeheißen worden. Es herrsche Sommerfrische in Schönbrunn am vorigen Abend, das Reichstädter Abkommen an­gehend, enthält. Oorcakows Endziel war laut dem magyarischen Staatsmann „keines als nur der Erfolg“; er wollte seine Laufbahn mit einem solchen be­schließen; als Andrássy gegen seinen Vorschlag Einwendungen machte, äußerte er: „Vous voulez done que je m’éteigne comme une lampe qui file.“ Ausfertigung und Abschrift in „Acta betreffend den Aufstand in der Herzegowina“, Berlin. 73 Langenau an Andrássy 11./23. März 1877. Wien. Buckle, Life of Dis­raeli, VI S. 128 (an Lady Bradford 22. März). Aufzeichnung von B. v. Bülow Berlin 5. Mai 1877 (Konzept und Reinschrift) in Betreff der Mitteilung der russisch-österreichischen Zusatzkonvention durch Graf Károlyi und einer Unter­redung mit ihm am selben Tage, nebst Auszug aus „La France“. Berlin. 109

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