Historische Blätter 5. (1932)
Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow
Ignatiew und Gorcakow waren indessen nach einem späteren Zeugnis von Giers als Minister des Auswärtigen darüber einig, daß für die Möglichkeit eines Krieges das Einverständnis mit Österreich-Ungarn durch besondere Abkommen befestigt werden mußte, weil die heimliche Übereinkunft von Reichstadt aus dem Monat Juli einen russischen Angriff nicht direkt in Betracht zog. Zu aktiver Mitwirkung hatte Franz Joseph bei dem Besuch General Sumarokows in Wien seine Zustimmung verweigert; es galt also, sich wenigstens seiner wohlwollenden Neutralität zu versichern. Die Unterhandlung wurde Eugen Nowikow übertragen — Botschafter am Habsburger Hofe und im Gegensatz zu General Schweinitz ein Mann, der an die ehrlichen Absichten Graf Andrässys glaubte und über seine staatsmännische Tätigkeit günstig urteilte. Zum fachkundigen Mitgehilfen bekam er einen der vielversprechendsten jüngeren Militärs Rußlands, den zukünftigen Chef des Generalstabes Obrucew, später als einer der eifrigsten Förderer der russisch-französischen Verständigung bekannt, die schließlich in der von ihm und Bois- deffre am 17. August 1892 unterschriebenen Militärkonvention feste Form annahm General Obrucew führte in Pest Verhandlungen mit dem Außenminister Franz Josephs, deren Resultat dann Nowikow (am 15./27. Dezember) zu unterzeichnen ermächtigt wurde. In dieser Weise kam die geheime Konvention vom 15. Januar 1877 zustande, die Rußland freie Hände gegen die Osmanen ließ, aber nach Westen gewisse Grenzen zog, die seine Armeen nicht überschreiten durften. Serbien und Montenegro wurden eine Art neutrale, auch den Österreichern verschlossene Zone, die dagegen nach eigenem Befinden Bosnien und die Herzegowina zu besetzen berechtigt wurden 62. Blättern 1922, S. 461: „Bismarck war daher der Ansicht, daß der Wiener Hof nichts tun sollte, um dem Petersburger eine diplomatische Niederlage zu bereiten. Unfehlbar wäre die nächste Folge davon der Sturz Gortschakows und dessen Ersetzung durch Ignatiew-“ (Károlyi an Andrássy Berlin 5. Jan. 1877.) 62 Bernhard von Bülow der jüngere an Fürst Bismarck St. Petersburg 17. April 1887 (Abschrift unter „Acta betreffend den Aufstand in der Herzegowina“): „Die fragliche Veröffentlichung, meinte der Minister [Giers], wäre allerdings für mich eine Rechtfertigung. Sie müssen wissen, daß ich seinerzeit mich gegen jenes austro-russisches Separat-Abkommen ausgesprochen habe. Die Verantwortung für dasselbe trägt lediglich Gortschakoff, welcher den Vertrag durch den Botschafter Nowikow und den nach Pest entsandten General Obrutscheff abschließen ließ. Ignatiew war mit dem Vertrage einverstanden. Es wäre mich (!) an und für sich schon lieb, wenn dies in Rußland bekannt würde.“ Die Publikation sei indes mit Rücksicht auf den Kaiser unmöglich. (Hierüber auch Telegramm von Bülow am selben Tage.) Berlin. — Schweinitz, Denkwürdig101