Historische Blätter 5. (1932)
Georg Wittrock: Gorčakow, Ignatiew und Šuwalow
stark waren — es mag, wenn man an frühere Berichte über denselben Gegenstand denkt, eigentümlich scheinen, aber die Nähe der ernsten Probe rief offenbar eine größere Nachdenklichkeit hervor. Langenau glaubt, die Friedenswünsche seien im ganzen überwiegend; Chauvinismus fand er nur bei Ultras und in gewissen Zeitungen (27. November). Auch Hauptmann Klepsch hörte zu seinem großen Erstaunen statt früheren Säbelgerassels sehr wenig kriegerische Äußerungen von einem gar nicht kleinen Teile der Offiziere in der russischen Hauptstadt. Den Grund suchte er teilweise in den fast täglich eintreffenden, niederschmetternden Nachrichten vom Unheil der Serben, das auch etwas später von dem serbischen Staatsmanne Marinowic unzweifelhaft bezeugt wurde — Ristic, den Mann der Omladina, weigerte sich Alexander nach der Niederlage zu empfangen und zwang ihn damit zum augenblicklichen Abgang vom Ministerpräsidium in Belgrad 58. Ohne Zweifel wurden die gestürzten serbischen Leiter dabei mit etwas harter Hand angefaßt. Es waren doch russische Aufwiegelungen, die sie in den Kampf getrieben — so hatte der Belgrader Generalkonsul, der bekannte Karcow, offiziell gewiß die Befehle des Kaisers treu erfüllt und Fürst Milan und seinen Ministern gesagt, der Bruch mit den Türken geschehe auf ihre eigene Gefahr; gleichzeitig aber hatte laut Marinowic derselbe Mann in Privatgesprächen keineswegs seine Ansicht verhehlt, daß die russische Regierung in der Stunde der Not Serbien schwerlich seinem Schicksal überlassen können werde 59. Fürst Gorcakow behauptete Schweinitz gegenüber (am 4. Dezember), es gebe nicht, wie man wohl gesagt habe, irgend welche zwingende Gründe, um angebliche „nationale Bedürfnisse“ zu befriedigen, daß der Kaiser vollkommen Herr seiner Beschlüsse sei und daß die „bösen Geister“, die eine Zeitlang ihr Spiel getrieben, durch das Gebot des Kaisers jetzt verjagt seien, wenn sie auch noch lebten. Schweinitz jedoch als kluger Beobachter empfand dabei gewisse Bedenken. Als ein Cerkasskij — später der erste russische Generalgouverneur des befreiten Bulgariens — zum Direktor der Zivilkanzlei des Oberbefehlshabers, Großfürst Nikolaus, ernannt worden, als General Gernajew, vor kurzem BS Langenau an Andrássy 27. Nov. 1876 (entziffertes Telegramm), Wien; vgl. Schweinitz, Denkwürdigkeiten, I S. 367. — Hauptmann Klepsch an Andrássy St. Petersburg 22. Nov. Wien. — Langenau an Andrássy 6. und 9. Dez. (entzifferte Telegramme), Wien; vgl. Schweinitz, Denkwürdigkeiten, I S. 367 f., 377 f. 58 Langenau an Andrássy 11.123. Dez. 1876. Wien. Vgl. oben S. 66 mit Note 8. 7* m