Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

„Auch die gesamte europäische Lage erfordert eine baldige Lösung unserer Angelegenheiten in diesem Lande; ganz besonders aber jene Deutschlands, welches in Österreich — je weniger selbes von allen Seiten revolutionären Feinden face bieten muß — endlich den Leiter der Ge­schicke seiner Zukunft und den einzigen wahren Freund erkennen wird, der es mit dem ganzen Gewichte seiner Macht ebenso vor demagogischem Treiben, als vor excentrischen Einheitsgelüsten bewahren kann14.“ Die Bedeutung dieser Äußerung aus dem Hauptquartier des öster­reichischen Heeres in Italien wird erhöht durch den kritischen Zeitpunkt, in welchem sie erfolgte. Zur selben Stunde waren in der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt am Main die „Sturmabstim­mungen“ 15 über die Reichsverfassung im Gange, über die Schöpfung eines starken deutschen Bundesstaates unter einem erblichen Oberhaupte. Noch ehe der Bericht des Feldmarschalls bei dem Leiter der österreichi­schen Politik in Olmütz einlangte, war König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum Kaiser der Deutschen gewählt: 28. März 1849. Ent­sprach dieser Appell an Österreichs Stellung in Deutschland einer un­14 Das Konzept des schon zitierten Motiven-Berichtes Radetzkys an Schwarzenberg Nr. 714/op vom 26. März 1849 (Wien, Kriegsarchiv) ist ge­schrieben und verfaßt von dem Legationssekretär Franz Freiherrn von Metzburg. Ich konnte das aus einem Anhangsberichte Metzburgs über die Zusammenkunft von Vignafe ddto. Hauptquartier Novara, 25. März 1849, im Wiener Staatsarchiv durch Schriftvergleich mit Sicherheit feststellen. Der (nach Wurzbachs biograph. Lexikon) schon 1859 verstorbene Baron Metzburg war seit Oktober 1848 dem Hauptquartier Radetzkys zugeteilt. Über seine Stellung haben wir einen Bericht des Feldmarschalls an Schwarzenberg (Nr. 730/op vom 27. März 1849, Kriegsarchiv Wien), der über sein Dienstverhältnis genau aufklärt: „Im Drange der Geschäfte bey meiner Abreise von Mailand versäumte ich E. D. anzuzeigen, daß ich des Dienstes befunden habe, den zur diplomatischen Dienstleistung in Mailand be­stimmten, mir seit dem Monat October zur Disposition gestellten Legations Sekretär Freyherrn von Metzburg meinem Hauptquartier für die Dauer des Feld­zuges zuzutheilen, und ihn unmittelbar meinem Generalquartier Meister, dem F. M. L. von Hess zur Dienstleistung zuzuweisen; und ich behalte mir vor seiner Zeit E. D. über die Art seiner Verwendung zu berichten.“ Demnach muß angenommen werden, daß das Konzept des Motivenberichtes nach den Direktiven Radetzkys und des FML. v. Heß verfaßt ist. Stilistisch spricht der einmal vor­kommende Ausdruck „Haupthebel unseres Wirkens“, der ganz ähnlich in der Denkschrift Radetzkys von 1828 über „die Lage Österreichs“ (Denkschriften S. 449) vorkommt, dafür, daß die Niederschrift auf Grund einer vorhergehenden allgemeinen Darlegung des Feldmarschalls, von der der Konzipient gewisse Schlagworte notierte, erfolgt ist. 15 Augsb. Alig. Zeitung vom 26. März 1849. 6

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