Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

mittelbaren, tiefergehenden politischen Überzeugung des Feldherrn oder war sie nur ein klug auf die Ziele Schwarzenbergs berechnetes Argument, um seine Zustimmung für die eigene italienische Politik zu erreichen? Ich möchte die Frage dahin beantworten, daß, um mit einem Bilde Radetzkys zu sprechen, beide Hebel darin wirksam waren. Der Feldmarschall hat zur deutschen Politik seines Vaterlandes von seinem Heerlager aus nicht bloß dieses eine Mal Stellung genommen. In drei bezeichnenden Augenblicken sind von ihm Kundgebungen in die Öffentlichkeit gegangen, die in engem Zusammenhang mit seinem Schreiben an Schwarzenberg stehen: im November 1848 nach der ersten Lesung der Paragraphen 2 und 3 der Reichsverfassung, im April 1849 nach der Ablehnung der Kaiserwahl durch Friedrich Wilhelm IV., im Mai 1849 nach dem Aufstand in Dresden, in den Tagen des Rumpf­parlamentes in Frankfurt. Im folgenden soll" versucht werden, diese Schriftstücke Radetzkys, ihres rhetorischen Schmuckes entkleidet, auf ihren sachlichen Inhalt zu prüfen, diesen politischen Inhalt einzuordnen in seine zeitgeschichtlichen Bedingungen, und zugleich ihn zu erklären aus dem allgemeinen geistig­politischen Entwicklungsgänge des Feldmarschalls. Durch die Tatsache der nahen Verbindung des Heerlagers Radetzkys mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung, wie sie uns von dem Grafen Schönfeld, einem der Ordonnanzoffiziere des Hauptquartiers, bezeugt ist, sind wir für alle Ereignisse und Nachrichten, welche in dem bewegten Zeitraum von 1848/49 im Kriegslager des Feldherrn Urteile auslösen und An­schauungen gestalten, im Besitz einer gesicherten Quelle16. Die eindruckvollste Erscheinung von 1848/49 im Leben Deutsch­lands, die Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, bildet in diesen Äußerungen Radetzkys den Mittelpunkt seiner verborgenen und offenen Polemik. Wie stand dieses Parlament selbst Radetzky gegenüber, welche Anlässe gab es ihm und hatte es ihm gegeben, des Zornes oder der Freude, in der großen Sache, an der sein Herz hing und für die sein 10 Karl Graf Schönfeld, Erinnerungen eines Ordonnanzoffiziers Radetzkys S. 94; vgl. neben den fortlaufenden Berichten Hackländers (Chiffre H Mailand), als des einzigen Zeitungsberichterstatters im Hauptquartier, die vielfache besonders freundliche Stellung in der ganzen Folge der Augsb. Alig. Z. zu Radetzky, die Biographie durch D. Schönherr in der Nummer vom 15. Februar 1849, den Hinweis auf das Lithographienalbum von Albert Adam (27. II. 1849) u. a. — Zur Beurteilung der Augsb. Alig. Zeitung als Trägerin der auswärtigen Politik Österreichs in Deutschland bis 1848, die alig. Darstellung von Heyck und noch immer Treitschke, Deutsche Geschichte III, 342 f. 7

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