Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

eigenen Staat, jenen innerlich notwendigen Entwicklungstrieb Preußens zu hemmen 113. Das Hineinwachsen in Deutschland, dieser in seiner territorialen Gestaltung begründete „deutsche Beruf Preußens“ — in dieser Hinsicht nicht bloß eine Legende — konnte von keinem der deutschen Freunde Preußens überzeugender dargetan werden114, als hier von dem österreichischen Feldherrn, dessen Wort von der „unver­hältnismäßigen Kraft“ dieses Staates — durch seine Heeresorganisation — damit in neue Beleuchtung tritt. Österreich ist der „wahre Freund“ Deutschlands, weil es sein eigener Vergrößerungsweg nach Südosten weist, weil es selbst einer Vergrößerung in Deutschland nicht bedarf und zugleich die Fülle der kleinstaatlichen Gebilde auf deutschem Boden vor dem Vergrößerungsdrange Preußens bewahrt. Eine merkwürdige Hoffnung war wenige Seiten später in derselben Denkschrift von 1828 ausgesprochen: wenn Preußen, wie es den Anschein habe, „eine Kon­stitution erhalte, würden alle Kriege, die aus persönlichen Beweggründen entsprängen, beseitigt“ werden115. Jetzt, 21 Jahre später, waren es nicht persönliche, waren es nationale Beweggründe, die eben in der kon­stituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main Form erlangt hatten, welche Preußen vorwärts drängten. Friedrich Wilhelm IV. hatte am 3. April der Frankfurter Kaiser­deputation „tief ergriffen“ geantwortet, daß er eine Entscheidung nicht fassen dürfe mit Verletzung heiliger Rechte und feierlicher Versicherungen ohne das freie Einverständnis der gekrönten Häupter und Fürsten Deutschlands, an denen es sei, in gemeinsamer Beratung zu prüfen, ob die Verfassung von Frankfurt dem Einzelnen wie dem Ganzen fromme116. Der Widerstand des „spezifischen Preußentums“ gegen jedes Paktieren mit der Frankfurter Demokratie, gegen jede Obermacht einer deutschen Bundeseinheit117, war wider die gegensätzlichen Einflüsse in der Seele des Königs jetzt fieberhaft an der Arbeit. General Wrangel hatte als Kommandant von Berlin am Empfangstage der Deputation in den Straßen der Stadt die „deutschen“ Fahnen verboten. Im gleichen Sinne 113 H. M. Richter hat in seinem Radetzkyartikel in der Alig. Deutschen Biographie diese auf das deutlichste ausgesprochene Folgerung für Österreich vollkommen übersehen. 114 Man denkt an die bezeichnende Erzählung d’Azeglios in seinen Ricordi II, 435, wie er die Bauern im Römischen für Piemont gewonnen habe. 115 A. a. O. S. 434. 116 Augsb. Alig. Zeitg. vom 6. April 1849, S. 1469. 117 Bericht aus Frankfurt vom 9. Dezember 1848 in Augsb. Alig. Zeitg. 1848, IV, S. 5468. 28

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