Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

Das Pendel der Stimmungen schlug im Laufe der nächsten Monate im Heerlager Radetzkys wieder zurück. Wir können zwar nicht er­messen, wie weit die unumwundenen Äußerungen gesteigerten slavischen Selbstbewußtseins, die damals auch in der österreichisch gesinnten, zur vollen Einheit des Kaiserstaates sich bekennenden Presse zurückge­wiesen wurden, im Hauptquartier zu Mailand gewirkt haben, jene An­sprüche, die aus dem Feldzuge des Banus gegen Wien und die Ungarn auch einen entsprechend mächtigen Anteil des Slaventums an der Re­gierung Österreichs ableiteten G4. Entscheidend für die Auffassung der deutschen Frage im Heere des Feldmarschalls wurde die Politik des neuen österreichischen Ministeriums Felix Schwarzenberg, das, weit entfernt, jene slavischen Ansprüche zu verwirklichen, den Kampf gegen die Frank­furter Beschlüsse für das Recht Österreichs „als erste deutsche Macht“ 64 65 mit rücksichtsloser Energie aufnahm. Für jenes feine nationale Takt­gefühl, das damals in Alfred von Arneth zugleich ganz österreichisch und deutsch empfand und ebendeshalb die tiefe Berechtigung der Idee Hein­rich von Gagerns vom engeren und weiteren Bunde erkannte66, war in diesem machtpolitischen Willen kein Platz. Versuchen wir in großen Zügen den Gang dieses diplomatischen und publizistischen Kampfes, wie er in den entscheidungsvollen Monaten vom Dezember bis in den März 1849 aus den Pressenachrichten in der Öffentlichkeit verfolgt werden konnte, uns vor Augen zu stellen und damit die Grundlage zu gewinnen für ein wirkliches Eindringen in jene Kundgebungen, die nach der Schlacht von Novara vom Heerlager Radetzkys ausgingen. Das Kremsierer Programm Schwarzenbergs war von Heinrich von 64 Der nachfolgende Aufruf war in Hawliczeks „Narodni Noviny“ Nr. 192 vom 22. November 1848 aus der kroatischen Zeitung „Slavenski Jug“ zitiert und von der Wiener „Presse“ irrtümlich als Leitartikel der Prager „Narodni Noviny“ bezeichnet, abgedruckt: „Slaven, Ihr hattet in Österreich nur eine einzige nationale Armee — die kroatischen Granzer — und diese Granzer zogen, geführt von dem nationalsten Führer aus dem Vaterlande, zu demüthigen alle Feinde des Slaven- thums, zu rächen so viele ihrer Nation zugefügte Unbilden, zu erkämpfen die Freiheit für das unterdrückte Vaterland, für alle österreichischen Slaven. Freut Euch, diese Eure Soldaten sind unter das Kommando eines Feldmarschalls ge­stellt, der den Slavenkongreß in Prag auseinanderjagte. Slaven! Italien und das große Wien habt Ihr gedemüthigt, bald, und Ihr habt die räuberischen Truppen der ungarischen Asiaten vernichtet, und doch versteht Ihr es nicht, Euch derer zu entledigen, die waffenlos Euren Nacken beugen — entledigt Euch ihrer,.. Presse, Wien Nr. 132 vom 7. Dezember und Nr. 137 vom 13. Dezember 1848. 65 Siehe unten im Text. 06 Alfred von Arneth, Aus meinem Leben I. 263 ff. 2* 19

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