Historische Blaetter 3. (1921-1922)
Eduard v. Wertheimer: Neues zur Orientpolitik des Grafen Andrássy (1876-1877)
etwas Positives, in Form einer Konvention, zu unterzeichnen. Langenau behauptet, vom österreichisch-ungarischen Militärattachö Baron Bechtolsheim später gehört zu haben, sein Brief hätte auf Andrássy einen üblen Eindruck gemacht, weil dieser seine Mahnung wie eine Art Belehrung ansah. Langenau dagegen neigt der Meinung zu, Andrássy habe ihm gegrollt, weil er Ideen anregte, die bereits in seinem eigenen — Andrässys — Kopf Wurzel geschlagen hätten1. Für den Minister des Äußern gab es jedoch gar keine Veranlassung, deswegen Freiherrn v. Langenau zu zürnen. Erstens waren längst die Unterhandlungen über eine geheime Konvention in Fluß geraten1 2, als der Gesandte mit seinem Vorschläge kam und dann wurde überhaupt nicht hiezu von Andrássy die Initiative ergriffen. Die Anregung hiezu war von Kaiser Alexander II. ausgegangen. In der Voraussetzung, das Wiener Kabinett strebe die Auflösung der Türkei an und es sei daher für den nächsten''Winter der. Beginn eilies1 gemeinsamen Krieges gegen die Türkei zu gewärtigen, erklärte sich der Zar bereit, durch einen Vertrag mit der Monarchie alle nötigen Detailfragen zu regeln 3 4. Graf Andrássy, der damals mit dem Kaiser in Buda- pfest weilte, depeschierte infolge des Schreibens Alexander II. vom 10. Oktober an den Sektionschef Baron Orczy in Wien, er möge dem russischen Gesandten Nowikow sagen, der Kaiser werde ihn in der ungarischen Hauptstadt empfangen, sowie er im Besitze der nötigen Vollmachten und Instruktionen sei \ Als Nowikow diese erhalten hatte, begannen in Budapest die Verhandlungen. Da Kaiser Franz Josef die Mitwirkung an einem bewaffneten Vorgehen gegen die Türkei als Zwangsmittel zur Erfüllung der von ihr geforderten Friedensbedingungen abgelehnt, war es ausgeschlossen, auf dieser Grundlage einen Vertrag aufzubauen. Es wurde daher als Basis für denselben die von Kaiser Franz Josef in seinem Schreiben bezeichnete zweite Alternative gewählt. Sie bestand darin, daß Österreich-Ungarn Rußland freie Hand zu einer von der Monarchie unabhängigen Aktion lasse. Davon ausgehend, entwarf der russische Gesandte gemäß den Weisungen Gor- tlsehakows ein Projekt, das in wesentlichen Punkten gänzlich um1 Langenau, Mein Wirken als Gesandter in Petersburg. W. St. A. >Durch unsere letzte Besprechung sind Euer Exzellenz in allgemeiner Kenntnis von den geheimen Verhandlungen, welche seit der Sendung des Generals Sumarokow zwischen uns und Rußland gepflogen werden.“ Sumarokow traf gegen Ende September in Wien ein. 3 Geheime Depesche Andrássys an Langenau, Kopie, 26. Dezember 1876. Ibid. 3 Wertheimer, Graf Andrássy, II. Bd., S. 349. 4 Telegramm Andrássys an Baron Orczy, Budapest, 18. Oktober 1876. W. St. A.