Historische Blaetter 3. (1921-1922)

Heinrich R. v. Srbik: Die deutsche Einheitsfrage in der Frankfurter Nationalversammlung

anders als so viele, der Kleindeutschen gedacht hatten, schuf und zu­gleich das für die Paulskirche unlösbare Problem löste, die preußische Hegemonie im Bundesstaate miit dem geschichtlichen Rechte der ein­zelstaatlichen .Gewalten zu versöhnen. * In all dem lag doch viel mehr zwingende Notwendigkeit, als die heutigen Ankläger meinen. War es denn wirklich nur kurzsichtiger, kalter Realismus, der die kleindeutsche Richtung in Frankfurt zur viel geschlosseneren Partei werden ließ und das bittere Opfer jener Einheit der Nation verlangte, die trotz allem noch der alte deutsche Bund gewahrt hatte? Und war es nur das „brutale Machtgenie“ des „Augenblickspolitikers“ Bismarck, das Österreich aus Deutschland ver­drängte und dem österreichischen Deutschtum nur das politisch so wenig wirksame Band der Kultumation beließ ? Nein, es war auch nicht lediglich1 die verhältnismäßige Einfachheit, die deutsche Frage durch glatte Ausschaltung des ungeheuer schweren österreichischen Problems zu lösen, die das Erliegen des .Großdeutschtums erklärt. 1848 und 1866 hätte die kleindeutsche Richtuhg allein die Kraft der nationalen Staats­idee werbend und schaffend für sich, da sie allein den geraden und den einzig möglichen Weg zu einem auf Macht beruhenden, dem Haupt- bestande nach nationalen Staate wies; diese nationale Idee aber war eine säkulare Gewalt. Auf der anderen Seite: der Vorwurf eines nam­haften Historikers entbehrt des inneren Haltes, daß die österreichische Regierung der Frankfurter Nationalversammlung keinen Plan vorlegte, wie an Stelle des deutschen Staatenbundes der deutsche Bundiesstaat treten und Österreich doch an diesem teilnehmen könnte. Solange Öster­reich den Willen und die Kraft zum Leben als selbständige Großmacht zu haben meinte, mußte es an der Metternich sehen Staatenbündverfas- sung von 1815, wenngleich mit verstärkten Banden und größerem Entge­genkommen gegen die nationalen und liberalen Zeiterfordernisse, festhäl- ten oder den utopischen Siebzigmillionenplan verfolgen; der Bildung eines gesamtdeutschen Nationalstaates aber, die nur durch Auflösung der geschlossenen österreichischen Staatspersönlichkeit zu erreichen war, mußte es sich im eigensten Lebensinteresse ebenso widersetzen wie der des abgesonderten kleindeutscKen Nationalstaates, der Österreich seiner besten Lebensquelle beraubte. So Kerbe die Erkenntnis ist: das Großdeutschtum konnte keinen Weg ersinnen, den gesamt­deutschen nationalen Sitaait mit der ungeschmälerten Staatsexistenz'/ Österreichs zu vereinen; aber es war nicht Mangel an politischer Schöpferkraft der einzelnen oder der Partei, wenn die Großdeutschen J a bt

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