Historische Blaetter 3. (1921-1922)

Heinrich R. v. Srbik: Die deutsche Einheitsfrage in der Frankfurter Nationalversammlung

garns, wie sie das Jahrzehnt des Bachschen zentralistischen Absolutismus dann vergeblich versucht hat. Der Schlußakt dieses deutschen Dramas ist von erschütternder Tragik: der Übertritt des Großdeutschen Welcker zu den Kleindeut­schen, der erkannte, daß der Schwarzenbergsche Plan für das deutsche Volk Machtlosigkeit oder doch nicht Macht in rein deutschem Sinne bedeute; das verzweifelte Suchen der Österreicher nach einer Mög­lichkeit, den Ausschluß ihres Vaterlandes und Preußens Kaiserwürde zu vereiteln und einen Ausgleich mit der zentralistischen Märzver­fassung zu finden; Welckers heißer Aufruf an die Österreicher, die Rettung des Vaterlandes nicht zu hindern, sowie Arneths und Würths Austritt aus dem Parlament, vollzogen in der Überzeugung, daß Öster­reich kein Recht habe, die Bildung des nationalen Staates zu ver­hindern, wenn es schon selbst nicht an ihm teilnehmen wolle oder könne; die Kälte so manches nordischen Vertreters und die letzte Rede eines österreichischen Abgeordneten in der Paulskircbfe, Bergers,, der den Kaiserschnitt verdammt, durch’ den Deütschösterreich von Deutschland getrennt werden soll, den Verrat an Deutschlands Ein-; heit, Freiheit und Zukunft brandmarkt und zum Bleiben auffordert. Es war alles vergebens: die demokratische Gruppe um Simon läßt sich von den beiden Zentren um den Preis einer Beschränkung der monarchischen Rechte zu einem mühseligen Kompromiß gewinnen, vier Stimmen von Deuts chöeterrei ehern, die den Staatswillen des Volkes über die Zukunft des Deutschtums ihrer Heimat stellen, geben den Ausschlag bei der Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum Erbkaiser, das erwählte; Haupt lehnt die Krone der Volkssouveränität ab und, alá der letzte Appell an die Revolution mißglückt, als auch die preußischen Unionspläne scheitern und Preußen sich dem historischen Recht© und der Macht, die es stützt, beugt, da tritt der alte Bundestag wieder ins Leben. Stolz konnte der alte Metternich1, der aus seiner Loge auf­merksam das Welttheater zu beobachten bekannte, erklären, daß sich die Baumeister nicht aus dem Kreise zu winden vermögen, in den er 1813 die Aufgabe gebannt erkannt hatte; mit Genugtuung nahm1 er die grau­same Ironie der Geschichte auf, daß die Sitze und Pulte der Paulskirche in öffentlicher Versteigerung feilgeboten, die Rednerbühne von der katholischen Gemeinde zu Burgel am Main gekauft, in eine Kanzel umgewandelt und durch eine Jesuitenmission eingeweiht wurde. Die großdeutschen wie die kleindeutschen Pläne für-die neuen politischen Lebensformen der Nation wurden vertagt, die deutsche Frage trat äußerlich mehr unter das Zeichen des Großösterreichertums als des Großdeutschtums, bis Bismarck den kleindeutschen Nationalstaat, gana 366

Next

/
Thumbnails
Contents