Historische Blaetter 3. (1921-1922)

A. F. Pribram: Milan IV. von Serbien und die Geheimverträge Österreich-Ungarns mit Serbien 1881-1889

1881 in der Skupsclitina gehaltenen Rede darauf hinwies, daß die moralische und ökonomische Erstarkung Serbiens mit in erster Linie auf die Besserung der Beziehungen zu Österreich-Ungarn zurückzu­führen sei, das beim Abschlüsse der Eisenbahn- und Handelsverträge guten Willen und Entgegenkommen gezeigt habe. Am- 6. Juni traf Milan in Wien ein, am nächsten Tage reiste er nach Berlin, von dort nach Petersburg. Er wurde in beiden Städten freundlich1 aufgenom­men, von den leitenden deutschen Politikern aber in allen sachlichen Fragen nach Wien gewiesen, während die russischen sich' kühl ver­hielten und politische Erörterungen vermieden. Diese Tatsache und der ungünstige Eindruck, den die inneren Verhältnisse des russischen Reiches auf Milan machten,1 bestimmten ihn bei seiner Rückkehr nach Wien, den Abschluß des geplanten Bündnisses mit Österreich- Ungarn zu beschleunigen. Ohne seine Minister weiter zu befragen, ohne sie zu den Verhandlungen hferanztiziehen, führte er per­sönlich die entscheidenden Verhandlungen mit Kállay, und Haymerle, billigte in allen wesentlichen Punkten das am Ballhäusplatze entworfene Projekt, das dann am 28. Juni n. St. in Belgrad von dem Vertreter der Donaumonarchie, Baron Gabriel Herbert-Rathkeal, und dem von Milan in das Ergebnis seiner Verhandlungen eingeweihten serbischen Minister des Äußeren, Chédomille Mijatovich, unterzeichnet wurde. Durch die bald darauf — 4., respektive 7. Juli — erfolgte Ratifikation seitens der Herrscher beider Staaten erhielt der Vertrag seinJe volle Rechts­wirksamkeit. Milan war glücklich über den Erfolg, den er im eigenen und im Interesse seines Landes errungen zu haben glaubte. An einen Einspruch Pirotchänaz’ und Garaschanins, denen er vbr seiner Ab­reise von seinem Plane Kunde gegeben und deren prinzipielle Zu­stimmung zu einem Bündnisse mit der Donaumonarchie er sich1 ge­sichert hatte, dachte pr nicht. Um so bitterer empfand er es daher, als ihm Mijatovich berichtete, daß diese beiden Männer, denen nun­mehr der bereits rechtskräftig gewordene ’Vertrag mitgeteilt wurde, sich zwar mit dem Abschlüsse eines Bündnisses zwischen Serbien und der Donaumonarchie einverstanden erklärt hätten, „da sie einsehen, daß das gegenwärtige und zukünftige Interesse des Landes eine Politik des völligen Hinneigens zu Österreich-Ungarn richtig erscheinen lasse“, da­gegen den Wortlaut des Vertrages, namentlich den des, IV. Artikels, unmöglich gutheißen könnten, „da dadurch der serbischen Regierung das Selbstbestimmungsrecht genommen, ihre Politik in' völlige Abhängig­1 In diesem Sinne berichtete Kálnoky an Haymerle am 19. Juni, Telegramm, St.-A. (Russica): „Wie sehr vertrauliche Äußerungen, die mir wiederholt werden, beweisen, sieht er mehr als je ein, daß er von Rußland nichts zu erwarten hat und sich uns anschließen müsse.“ 469

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