Historische Blaetter 3. (1921-1922)
A. F. Pribram: Milan IV. von Serbien und die Geheimverträge Österreich-Ungarns mit Serbien 1881-1889
keit von der Österreich-Ungarns gerate, ohne daß diesem irgendwelche Schranken in der Freiheit seiner iOrientpolitik auferlegt werden“. Sollte der Wortlaut des Vertrages, was immerhin möglich sei, bekannt werden, so wären nicht nur sie selbst, sondern die ganze jetzt herrschende fortschrittliche Partei auf das schwerste kompromittiert. Sie seien daher entschlossen, die Kabinettsfrage zu stellen und ihr Amt niederzulegen, falls der Fürst die Änderung des für sie unannehmbaren Wortlautes des IV. Artikels nicht gestatten und durchsetzen sollte.1 Milan geriet durch' das Verhalten seiner beiden maßgebenden Minister in eine ungeheuer schwierige Lage. Der Vertrag war rechtsgültig; Milan konnte, wollte er das Vertrauen der Wiener Regierung in die Aufrichtigkeit seiner .Gesinnungen nicht verlieren, von der übernommenen Verpflichtung nicht zurücktreten. Die An- nahtne der Demission Pirotchänaz’ und Garaschanins mußte aber zum Sturze der fortschrittlichen Regierung und zur Wiedereinsetzung eines Ministeriums unter Jovan Ristic führen, von dem Milan eine Billigung seiner neuen auswärtigen Politik nicht erhoffen durfte. Um sich aus dieser unerträglichen Situation zu befreien, gab es für ihn nur einen Weg. Er mußte den Versuch wagen, das Wiener Kabinett zu bestimmen, freiwillig in eine Änderung des Wortlautes des IV. Artikels des Vertrages vom 28. Juni 1881 zu willigen. Unter Klarlegung des ganzen Sachverhaltes sollte Mijatovich in Wien diese Bitte Milans Vorbringen. Am 11. und 12. Juli fanden die entscheidenden Beratungen des serbischen Außenministers mit Kállay statt, der den von Wien abwesenden Haymerle vertrat.2 Kállay kam den Wünschen Milans bereitwilligst entgegen, da es dem Wiener Kabinett nicht weniger als Milan selbst am Herzen lag, ein neues Ministerium Ristic zu verhindern, der bei seinem Rücktritte der von ihm imrnier vertretenen Anschauung deutlichsten Ausdruck verliehen hatte, daß Serbien nur an der Seite Rußlands und im Kampfe und auf Kosten Österreich-Ungarns und der Türkei Gebiets- und Machtzuwachs erhoffen könne. Kállay erklärte, daß das Wiener Kabinett zu der gegenwärtigen serbischen Regierung volles Vertrauen besitze und auf deren Erhaltung den1 größten Wert lege. Die Donajrmonarchie müsse sich aber schützen, falls eine andere Partei ans Ruder gelangen und eine Österreich- Ungarn bedrohende Politik verfolgen sollte; zu diesem Zwecke sei das Bündnis ja geschlossen Worden. Gegenüber der Behauptung Pirot- chanáz’ und Garaschanins, daß der Wortlaut des IV. Artikels Serbien 1 Herbert-Rathkeal an Haymerle d. d. 12. Juli 1881. St.-A. (Geheimakten V, Serbien.) 2 Bericht Kállayis an Haymerle d. d. Wien, 17. Juli 1881. St.-A. (Geheimakten V, Serbien.)