Historische Blaetter 3. (1921-1922)

A. F. Pribram: Milan IV. von Serbien und die Geheimverträge Österreich-Ungarns mit Serbien 1881-1889

tung, die sie Serbien gegenüber bisher beobachtet, auch in Zukunft einnehmen würden, hätten ihm die Überzeugung aufgedrängt, daß der Gedanke eines gemeinsamen Vorgehens aller Balkanstaaten zum Schutze ihrer nationalen Existenz eine Utopie sei und den Entschluß bei ihm reifen lassen, sich der Großmacht im Osten,’in die Arme zu werfen, um mit ihrer Hilfe die Interessen seines Volkes und der Dynastie zu schützen und zu fördern. Es soll hier nicht weiter untersucht werden, ob Milan in diesem Bekenntnisse alle Motive, die ihn zu einem so bedeutungsvollen Wechsel seiner Politik be­stimmten, rückhaltslos offenbart hat. Unzweifelhaft hat ihn dabei auch1 der Wunsch, sich seines Ministerpräsidenten und Mentors, Jovan Ristics, sowie der ihm verhaßten radikalen Partei zu entledigen und seine Sympathie für die Kultur der heiteren Kaiserstadt an der Donau geleitet. Auch entsprach es keineswegs der Wahrheit, wenn Milan die Behauptung aussprach, daß der größte Teil des serbischen Volkes und die überwiegende Mehrzahl der führenden serbischen Politiker seine Pläne billigten und im Anschlüsse an die Donau­monarchie das Heil Serbiens erblickten. Der überwiegende Teil des serbischen Volkes und viele der maßgebenden serbischen Staatsmänner hegten vielmehr bitteren Groll gegen den östlichen' Nachbar, der seit der Okkupation Bosniens und der Herzegowina Serbien im Süden und Westen umklammert hielt. Für den Augenblick allerdings schien es, als würde Milan ‘seine Pläne ohne erhebliche Schwierigkeiten durchführen können. Im Oktober 1880 fiel Ristic, und das neue fort­schrittliche; Ministerium, an dessen Spitze Milan Pirotchanaz trat und dem Milutin Garaschanin als Minister des Innern, Chédomille Mija- tovich' als Minister des Äußeren und der Finanzen angehörten, zeigte sich bereit, dem Herrscher bei seinen Bestrebungen, die auf die Her­stellung eines freundschaftlichen Verhältnisses zu Österreich-Ungarn hinzielten, Gefolgschaft zu leisten. Im Frühjahr 1881 kam der von Andrässy schon im Jahre 1878 in Aussicht genommene Handelsver­trag zwischen Österreich-Ungarn und Serbien, dessen Abschluß Ristic immer wieder verzögert hatte, zustande1 und zu gleicher Zeit verhandelte Mijatovich in Wien über den Abschluß eines politischen Geheimvertrages zwischen den beiden Staaten. Was Mijatovich einige Dezennien später in seinen Erinnerungen über den Gang dieser ersten Verhandlungen erzählt,2 entspricht, wie an anderer Stelle gezeigt 1 Vgl. Bittner, Chronologisches Verzeichnis der österreichischen Staatsverträge, III, S. 338, Nr. 4290. 2 The memoirs of a Balkan diplomatist. By Count Chédomille Mijatovich, 1917, 1B7

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