Historische Blaetter 3. (1921-1922)

Eduard v. Wertheimer: Neues zur Orientpolitik des Grafen Andrássy (1876-1877)

Wohltaten des Friedens zu sichern, nicht nur für die Gegenwart, sondern auch über Generationen hinaus für die Zukunft *. Unter Berücksichtigung einiger Wünsche Gortschakows stellte nunmehr An- drássy einen neuen Entwurf her, in dem er seine vornehmsten Ge­sichtspunkte aufrechterhielt. Somit lagen jetzt drei Projekte vor, die am 28. Februar an Freiherrn v. Langenau nach Petersburg gesandt wurden, wo die Entscheidung fallen sollte. Entsprechend dem 9. Artikel der militärischen Konvention handelte es sich in der politischen „Convention additionnelle“ darum, die territorialen Erwerbungen Ruß­lands und Österreich-Ungarns für den Fall eines russisch-türkischen Krieges oder des Zusammenbruches der Türkei festzusetzen. In dieser Hinsicht herrschte ein tiefgehender prinzipieller Unterschied in den Auffassungen Gortschakows und Andrássys. Der russische Staats­kanzler wollte die praktische Anwendung der Konventionen nur dann zulassen, wenn faktisch die Auflösung der Türkei erfolge. Andrässy hingegen behauptete, schon die territorialen Veränderungen, die ein Krieg Rußlands mit der Türkei nach sich ziehe, genügten, den Konventionen Geltung zu verschaffen2. Als Langenau dem Fürsten Gortschakow die geheime Depesche Andrássys vom 28. Februar 1877 mit dessen verändertem Projekt der „convention additionnelle“ vor­legte, fand er ihn gerade wegen der Koliken, an denen er eben litt, in sehr übler Laune-3. Der russische Staatskanzler machte ein ziemlich saures Gesicht4. Wieder betonte dieser, man müßte sich bei der Re­daktion der Konvention der größten Klarheit befleißigen, um dadurch späteren Mißverständnissen vorzubeugen. Er war überhaupt nicht abgeneigt, die Unterzeichnung, die ja gar nicht so eilig sei, auf un­bestimmte Zeit hinauszuschieben. Der Verdacht ist nicht ungerecht­fertigt, daß er den Abschluß der Konvention verhindern wollte, um Österreich-Ungarn nicht in den Besitz von Bosnien und der Her­zegowina gelangen zu lassen5. Eine Handhabe hiezu bot ihm ja auch der plötzliche Umschwung in der Stimmung Rußlands, das jetzt, abgesehen von den chauvinistischen Panslawisten, laut seinem Wunsche nach Frieden Ausdruck gab6. Ein augenscheinlicher Beweis hiefür 1 Andrássy an Langenau, 28. Februar 1877. Geheimdepesche Nr. 1. Ibidem. s Andrássy an Langenau, 28. Februar 1877. Geheimdepesche Nr. 1. W. St. A. 3 Langenaus • geheimes Privatschreiben an Andrássy, 9. März 1877. Ibidem. 1 Langenau, Mein Wirken etc. Ibidem. 5 Langenau an Andrássy, 9. März 1877. W. St. A. „ ... und ich müßte mich sehr täuschen, wenn nicht in dem Wunsche, daß es nicht zur Annexion Bosniens und der Herzegowina durch uns kommen möge, ein Grund liegen sollte, warum Fürst Gortschakow für eine friedliche Lösung so eingenommen ist.“ 0 Freiherr v. Langenau, Mein Wirken etc. Ibidem.

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