Historische Blaetter 2. (1921)

Eduard v. Wertheimer: Neues zur Orientpolitik des Grafen Andrássy (1876-1877)

Fürst Gortschakow hatte beim Diner im Reichstadter Schlosse dem neben ihm sitzenden Grafen Andrássy seine Bewunderung für die herrlichen Gobelins des Speisesaales ausgedrückt. Kaiser Franz Josef, hievon benachrichtigt, ließ dem russischen Staatskanzler eines der schönsten Stücke dieser Gobelins zur Erinnerung an die Entrevue zum Geschenke machen1. In seinem Dankesbriefe an Graf Andrássy schrieb er: „Dieser Beweis von Güte für mich ist mir um so kost­barer, als er verknüpft ist mit einem denkwürdigen Ereignis, das, ich hoffe es, die guten Beziehungen besiegeln wird, die ich durch den Willen meines erhabenen Herrn berufen war, zwischen unseren beiden Ländern zu befestigen“1 2. Diese von Gortschakow so sehr ge­priesenen guten Beziehungen wurden ehestens einer harten Probe ausgesetzt. Entgegen der allgemeinen Erwartung brachte die Reich­stadter Begegnung keine Beruhigung auf dem Balkan. Am 2. Juli hatte Milan von Serbien dem Sultan die Fehde erklärt. Die sieg­reiche Türkei wollte nichts von einem Waffenstillstand hören, den Rußland befürwortete und der mehr im Interesse Serbiens und Monte­negros als in dem' der Pforte lag. Auch bei diesem Anlasse zeigte es sich, daß Gortschakow immer nur die Auflösung der Türkei vor Augen schwebte. So lange diese nicht eingetreten war, forderte er Garantien für die Verbesserung des Loses der Christen im Osmanen- reiche, womit er nur seine geheimen, auf die Vernichtung der Türkei gerichteten Pläne zu verhüllen trachtete. Seiner Ansicht nach1 hätten .die Garantien für die slawisch-christlichen Bewohner der Türkei vor allem in der Okkupation Bulgariens durch russische Truppen zu bestehen. Um den Anschein jeder spezifisch russischen Aktion zu vermeiden, ging sein Vorschlag dahin, Österreich-Ungarn sollte mit seiner Militärmacht eine Parallelbesetzung in Bosnien und der Herzegowina vornehmen. Graf Sumarokow-Elston wurde Ende September 1876 als Spezialgesandter mit einem Briefe Alexanders II. vom 11. (23.) September 1876 an Kaiser Franz Josef nach Wien ge­sandt, um da den russischen Antrag mundgerecht zu machen. Graf Andrássy, der keinen Augenblick schwankte, nur allein beim wirk­lichen Eintritt der Auflösung der Türkei den in Reichstadt bestimmten Anteil für die Monarchie! in Anspruch zu nehmen, bestimmte Kaiser 1 Andrássy an Gortschakow, Konzept, 7. August 1876. W. St, A. Nach diesem Briefe Andrássys irrt Dóczy in seinem Feuilleton „Die Fahrt nach Keichstadt“, „Neues Pester Journal“, 3. Jänner 1909, wenn er Gortschakow dem Grafen Mulinen gegenüber erst später seinen Enthusiasmus für die Gobelins ausdrücken läßt. Ich bin im 2. Band „Graf Andrássy“, S. 330, noch der Angabe Dóczys gefolgt. 2 riov+onlmlm'nr un A nrlfótjCTr PűtovVinf Lili 1 11711 TRirlom

Next

/
Thumbnails
Contents