Historische Blaetter 2. (1921)

Carl Brinkmann: Neue Bücher. Das österreichische Staats- und Reichsproblem

lieh spürbare, möglicherweise unbewußte Abneigung Redlichs. gegen den ungari­schen Typus des Nationalismus. Er, der an der Hand des großen politischen Schrifttums der Magyaren, namentlich des Praktikers Szécsen und des Theoretikers Eötvös, die abermalige und letzten Endes durchgreifende Erweichung des Absolu­tismus im Oktoberdiplom von 1860 vor allem als eine Tat des ungarischen Hoch­adels erkennt (und die Fortsetzung seines Werkes wird das für die Zeit Franz Deáks zu bestätigen haben), ist offenbar von Assoziationen magyarén- und adels­gegnerischer Herkunft nicht unabhängig genug, um seine nationale Objektivität in vollem Maße von den unterdrückten Slavenvölkem auch auf das ungarische Herrenvolk auszudehnen. Trotz aller egoistischen Inkonsequenz im Verfassungs­technischen, wie sie immerhin z. B. auch dem tschechischen Widerstand gegen die dem Deutschtum günstige Kreisautonomie zugrunde lag, verkörpert Ungarns aristokratischer Feudalismus doch nun einmal auch für die Gesamtheit des Habs­burgerreiches ein neben dem deutschen Absolutismus und Zentralismus notwendiges und belebendes, in seiner Wirkung als Vorläufer des späteren Nationalitätenrechtes ebensosehr liberales als konservatives Element. > Gewiß hat Redlich nicht Unrecht, die Bildung einer magyarisch-böhmischen Hochadelsfronde in dem verstärkten Reichsrat vom März 1860 mit der im Theoretischen vielfach für sie vorbildlichen preußischen konservativen Partei unter Friedrich Julius Stahl und den Kreuzzeitungsleuten zu vergleichen. Beide waren nicht nur dem demokratischen Konstitutionalismus, sondern vor allem auch der liberalisierenden Bureaukratie ihrer Staaten entgegengesetzt. Aber auf der anderen Seite bleibt zwischen ihnen der ganze Unterschied, der den preußischen Junker vom österreichischen Feudalen trennt. Und nicht zuletzt daraus ergab sich die beherrschende Situationsverschiedenheit, daß im preußischen Einheitsstaat die Konservativen jeden Konstitutionalismus einseitig absolutistisch hemmten, während sie im österreichisch-ungarischen Länderstaat genau umgekehrt, den zentralistischen Absolutismus der bürgerlichen Deutschen Kübeck und Bach hemmend, die ständisch gemäßigte konstitutionelle Entwicklung beförderten. Ja. die Bedeutung der ungarischen Einflüsse auf die Verfassungsbewegung der Doppel­monarchie ist über die ständische Wendung des Oktoberdiploms von 1860 noch hinausgegangen. Dadurch, daß der kleinadlig-bürgerliche revolutionäre Liberalismus Ungarns es rundweg ablehnte, auf das von seinen hochadeligen Landsleuten zwischen Einheitsstaat und Ständeautonomie geschlossene Kompromiß einzugehen und den im Diplom schattenhaft genug vorgesehenen Gesamtreichsrat zu beschicken, gewann auch in der österreichischen Reichshälfte die liberale Bureaukratie wieder Oberwasser, die nur zeitweilig durch den Zusammenbruch von 1859, durch Bachs Zentralismus und Brucks Spekulationsfinanz diskreditiert worden war, aber sich sogar im Reichsrat in der Person Ignaz von Pleners tapfer gegen das adlige Stände- ideal für den monarchischen Konstitutionalismus eingesetzt hatte. Mit Anton von Schmerling, dem Enkel des österreichischen Zivilrechtskodiflkators Zeiller, und seinen Beratern Hans von Perthaler und Josef von Kalchberg, drei der besten Vertreter jenes zugleich politisch und kulturell führenden Deutschösterreichertums, schuf diese Bureaukratie nunmehr das entscheidende „Verfassungs“-Patent vom Jahre 1861, das, Redlichs ersten Band mit Fug abschließend, wenigstens für die zisleithanische Reichshälfte die größten Errungenschaften der Revolution, das Gesetzgebungsrecht der „Reichsvertretung“ und (mittelbar durch die neuen Landesordnungen) die Beseitigung der ständischen Patrimonialgewalt in der Ge­meinde, damit aber die zukunftsvollsten Entwicklungskeime sowohl des föderalisti­schen als auch den zentralistischen Prinzips auf die Dauer festlegte. Die Bauten der Hohenstaufen in Unteritalien, herausgegeben vom Preußischen Historischen Institut in Rom. Verlag K. W. Hiersemann in Leipzig. I. Band von Arthur Haseloff. Aufmessungen und Zeichnungen von Erich S chulz und Philipp Lange wand. Textband mit 92 Abbildungen in Netz- und Stichätzung. XV, 448 S. Quart- und Tafelband mit 101 photographischen Ansichten in Lichtdruck auf 61 Tafeln (56,5 X 40,5 cm). VIS. Gr.-Folio. 1920. Zwei Halbleinenbände. Mk. 960. ?U7

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