Historische Blaetter 2. (1921)

G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft

im Rahmen der Fortführung der alten rechtshistorischen Forschung vollzogen hat. Greifen wir aber einzelne viel besprochene Thesen der Rechtsvergleichung heraus, etwa die Lehre vom Gemeineigentum am Ackerland als dem Ureigentum1. Vertreter der historischen Rechts­schule und der historischen Schule der Nationalökonomie er­läuterten die Verhältnisse der alten Germanen mit Hilfe von Analogien bei fremden Völkern und stellten auf diesem Wege das Vorkommen derselben Sache bei verschiedenen Völkern fest. Im Zeitalter des Positivismus wurde dann die Zahl der wirklich oder angeblich vergleichbaren Fälle vermehrt und ein festes histo­risches Gesetz über das überall als Ureigentum vorkommende Ge­meineigentum formuliert, welches jedoch in kurzem vollkommen zu­sammenbrach. Die sorgfältige Quellenanalyse und die Bedenken der zünftigen Historiker gegen einen zu weit gehenden Gebrauch der histo­rischen Analogie hatten sich als die stärkere Instanz gegenüber den posi­tivistischen Voraussetzungen erwiesen. Als andere lehrreiche These mag die vom Mutterrecht erwähnt werden. Sein Entdecker ist Bach­ofen, ein überzeugter und dankbarer Schüler Savignys, der so wenig mit der später geübten parteimäßigen Verwertung der Mutterrechts­theorie zu tun hat, daß er das Wort prägte: ich hasse die Demokratie, weil ich die Freiheit liebe. Mit Morgan hielt der positivistische, Miß­brauch der Theorie seinen Einzug: um jeden Preis wurde das Mutter- recht jedem Volk zugesprochen und ihm eine unzulässige Deutung gegeben1 2. Als dann Bebel und andere sich der so zurechtgestutzten Mutterrechtstheorie zu politischen Zwecken bemächtigten, hatte die Wissenschaft vollkommen Anlaß, das Haupt zu verhüllen, um nicht Zeuge dieser Gewalttätigkeiten zu sein. Wir haben dargelegt, daß die wertvollen Erkenntnisse, die man der soziologischen Betrachtung verdankt, im Rahmen der alten Fachdiszi­plinen (einschließlich natürlich der Philosophie) gewonnen worden sind, daß das Brauchbare, was die „soziologische“ Literatur enthält, von jenen her, insbesondere seit ihrer Beeinflussung durch dieRoman­1 Vgl. m. „Probleme der Wirtschaftsgeschichte“, S. 1 ff. 2 Vgl. m. Art. „Familie“ im Wörterbuch der Volkswirtschaft, 3. Aufl.; Ztschr. für Sozialwissenschaft 1904, S. 160 ff.; Hist. Ztschr. Bd. 71, S. 463 ff. und S. 489 ff.; W. Köppers, Die ethnologische Wirtschaftsforschung, Sonderausgabe aus „Anthropos“ Jahrg. 10 bis 11, Wien 1917. An die wichtigen kritischen Nach­weise von Grosse und B. Delbrück sei hier besonders erinnert. — Tröltsch, Positivismus, S. 63, überschätzt doch wohl den Einfluß Spencers auf die Prähisto­rie und Ethnographie in Deutschland. Zur Kritik der Übertragung der Deszen­denztheorie auf die Erklärung sozialer Vorgänge s. Vierteljahrschrift f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1907, S. 487, Anm. 1.

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