Historische Blaetter 2. (1921)
G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft
tik stammt. Man kann die romantische Betrachtungsweise geradezu als die soziologische im richtigen Verstand bezeichnen, natürlich aber dann nicht, wenn man soziologisch im Sinne von naturalistisch deutet. Bei der Frage, was eine besondere Disziplin der „Soziologie“ will und ob eine solche anzuerkennen sei, brauchen wir uns hier nicht aufzuhalten, da wir uns ja nur die Aufgabe des Nachweises gestellt haben, daß die sogenannte „Soziologie“ der Romantik gegenüber nichts brauchbares Neues bietet. Wenn man uns aber die Definition gibt1: „die Soziologie, eine Naturwissenschaft, fordert uns ganz einfach auf, das logische Postulat der Gesetzmäßigkeit alles Seins auch am Material der Geschichte, soweit wir vermögen, zu verwirklichen“, so müssen wir der Soziologie, als der in eine Naturwissenschaft verwandelten Geschichte, von vornherein unsere Anerkennung versagen. Denn auf diesem Wege wird man die historischen Erscheinungen nie sachgemäß erfassen. Unser Standpunkt zu der viel behandelten Frage ist der, daß der Versuch der Begründung einer besonderen Disziplin der Soziologie ebenso unzweckmäßig wie sachlich verfehlt ist. Es gibt eine soziologische Betrachtungsweise, eine soziologische Methode2, aber keine soziologische Wissenschaft. Nicht bloß eine, sondern alle hier in Betracht kommenden Wissenschaften — von der Theologie bis zur Nationalökonomie — kommen in die Lage, die Dinge „soziologisch“ zu betrachten. Diese Methode einer einzigen Disziplin als Sonderrecht zuzusprechen hätte keinen Sinn. Will man durchaus die Beobachtungen, die man über die menschlichen Gemeinschaftsbeziehungen macht, in einer einzelnen Disziplin aufspeichern, so würde sich am ehesten dafür die Philosophie oder eine Gruppe aus ihr empfehlen. Die Psychologie wird sich ja immer mit zusammenhängenden Fragen des gesellschaftlichen Lebens beschäftigen3. Indessen auch von anderm Ausgangspunkt aus wird die Philosophie sich ihnen widmen. Aber 1 Metzger, Geschichtsphilosophie und Soziologie, Vierteljahrschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie, Bd. 40, S. 292. 8 Vgl. Weltwirtsch. Archiv, Bd. 16, S. 523. — 0. Hintze, Schmollers Jahrbuch 1921, S. 597: „M. Weber hat allerdings die Soziologie als eine Einzelwissenschaft begründen, wollen; aber es bedurfte dazu einer universalen Spannweite des Geistes und der Studien, wie sie bei ihm in einem ganz seltenen Maß zutage getreten ist.“ Es sei hinzugefügt, daß es auch bei Weber bei einem unfertigen Versuch geblieben ist. a Vgl. auch Heinrich Maier, Psychologie des emotionalen Denkens, S. 30: „Eine allgemeine Geschichtspsychologie könnte allein auf den Namen einer Soziologie, d. h. einer Sozialpsychologie, berechtigten Anspruch erheben.“ Die allge- gemeine Geschichtspsychologie wäre die Zasammenfassung der „Prinzipienwissenschaften für sämtliche historische Disziplinen“. Fel. Krüger, Entwicklungspsycno- logie, S. 154: „Wir können die zahllosen Dilettanten der ,Gesellschaftslehre1 außer Betracht lassen. Nach allem Gesagten ist es nicht verwunderlich, daß Wundt sich dahin zusammenfaßt, zurzeit existiere die Soziologie noch gar nicht „als positive empirische Wissenschaft“. Eben dieses'-negative Ergebnis ist vielleicht das einzige,