Historische Blaetter 2. (1921)
Berthold Molden: Das Schicksal der Deutschen und der Weltkrieg
König von Montenegro schon vor dem Wiener Ultimatum seiner Tochter nach Petersburg telegraphierte, daß es noch vor dem Ende des Monats zum Kriege kommen werde. Von Österreich, so rief die Großfürstin dem Botschafter, dem sie dies jubelnd mitteilte, zu, werde nichts übrig bleiben, Frankreich werde Elsaß-Lothringen zurücknehmen, die französischen und russischen Heere würden sich in Berlin vereinigen, Deutschland werde zerstört werden. Ende Jänner 1914 hatte der russische Gesandte in Sofia eine Annäherung Bulgariens an Serbien zu erwirken gesucht, die .aber Radoslawow wegen des Verhaltens der Serben in Mazedonien zurückwies, und auch in Petersburg wurden, wie die „Samouprawa“ mitteilte, Verhandlungen über die Erneuerung des Balkanbundes geführt, die allerdings, so fügte das Blatt hinzu, noch nicht ans Ziel gelangten. Einem bulgarischen Journalisten Namens Dantschew sagte, wie er in der „Reichspost“ erzählte, ohne daß ein Dementi erfolgt wäre, der russische Gesandte Hartwig schon einige Monate vorher: „Wir brauchen ein starkes Serbien. Nach der türkischen Frage kommt die österreichische an die Reihe. Serbien wird unser bestes Werkzeug sein. Ihr Bulgaren werdet Mazedonien an dem Tage bekommen, an dem Serbien Bosnien und seine Herzegowina zurücknehmen wird“. — Am 26. Jänner hatte der Pariser Gemeinderat auf Verlangen der Regierung beschlossen, Geld zur Anschaffung eines ständigen Mehlvorrats von hunderttausend Zentnern zur Verwendung während einer Mobilisierungsperiode zu bewilligen. Die Petersburger „Börsenzeitung“ vom 10. Februar teilte mit, der Kriegsminister habe sich geäußert, daß die effektive Stärke des russischen Heeres um ein Drittel vermehrt und das Prinzip der offensiven Kriegführung eingeführt werden solle; Ende Februar schon verlangte man von der Duma 105 Millionen Rubel für die am 15. März beginnende allgemeine Probemobilisierung, und zugleich konnten die „Times“ melden, daß die Erhöhung der Friedensstärke 460.000 Mann betrage, so daß der Friedensstand auf 1,700.000 Mann ansteige. Am 27. März erfolgte ein allgemeines Pferdeausfuhrverbot. In Deutschland stieg jetzt die Friedensstärke auf 661.000, und im Frühjahr 1914 wurde deshalb eine Abgabe vom Vermögen und Einkommen eingehoben, die 850 Millionen Mark ergab. Aber bald folgten auch Nachrichten über russische und französische maritime Vorbereitungen. Am 20. Juni schrieb der vom vormaligen und auch nachmaligen Minister des Äußern Pichon geleitete „Petit Párisién“ gelegentlich des Besuches des russischen Marinegeneralstabschefs, es würden wahrscheinlich Verhandlungen im französischen Marinegeneralstab über die Vermehrung der russischen Kriegsflotte stattfinden. Am selben Tage erklärte der Marineberichterstatter der französischen