Historische Blaetter 2. (1921)

Berthold Molden: Das Schicksal der Deutschen und der Weltkrieg

immer wichtiger sein würden, als die zu Österreich, dieses sich also im Bunde nicht würde zur Geltung bringen können oder gar nicht würde aufgenommen werden, daß aber, wenn seine Unverläßlichkeit erwiesen sei, Deutschland imstande wäre, sich über eine Teilung Österreichs mit Rußland ins Einvernehmen zu setzen — eine für Deutschland zwar ge­fährliche, für die österreichisch-ungarische Monarchie aber tödliche Politik. Vermutlich aus dieser Betrachtung heraus, hat Aehrental dem Kaiser von einer Zusammenkunft, wie sie König Eduard auch im Jahre 1909 wieder wünschte, abgeraten. Für ein österreichisch-ungarisch­englisch-deutsches Verhältnis war aber England nicht mehr zu haben. Trotzdem wollte Aehrenthal, so weit es ihm möglich war, auf die Stim­mung zwischen Deutschland und England mildernd wirken, und alles vermeiden, was Österreich-Ungarn als bloßen Gefolgsmann Deutschlands erscheinen lassen und es mit den Westmächten auseinander bringen konnte. Aber am Bündnis hielt er fest. Er starb im Februar 1912, wäh rend Rußland insgeheim den Balkanbund stiftete. Wie er sich verhalten hätte als in Wien, im Monat Mai, dieses Ereignis bekannt wurde und wie er sich beim Ausbruch des Balkankrieges verhalten, ob er etwa Serbien durch Besetzung des Sandschaks Novibasar teilweise gebunden und dadurch an dem Aufstieg gehindert hätte, der es mit der Zuversicht unzweifelhafter Überwindung Österreichs erfüllte, wissen wir nicht. Wir wissen aber, daß die Situation schon im Frühjahr 1914 für Österreich- Ungarn sehr ungünstig war und daß das Attentat in Sarajewo das Problem mit einem Male in unmittelbare Nahe rückte. Wie hätte sich nun die österreichisch-ungarische Regierung entschließen sollen? Denken wir uns, es wäre in dem Palais am Ballhausplatz, das Kaunitz eingeweiht hat, ein Minister gesessen, der ihm an Bedeutung ebenbürtig gewesen wäre; wie hätte er sich entschieden? Die Gefahr eines feindlichen Angriffs lag näher als er aktenmäßig wissen konnte. Weder waren ihm jene Pläne der russischen Regierung bekannt, die zu der Ministerberatung vom 8. März 1914 geführt hatten, noch die Ermunterungen die Frankreich und Rußland schon seit Jahren an die serbischen Aktionspolitiker richteten und über die wir jetzt unter- l'ichtet sind. Am 26. November 1912, nach den Siegen über die Türkei und wenige Tage nach dem Briefwechsel Grey-Cambon rieten der franzö­sische und der russische Gesandte in Bukarest dem dortigen serbischen Gesandten, daß Serbien sich mit den erzielten Erfolgen begnügen und sich kräftigen und sammeln solle, um möglichst vorbereitet die gewich­tigen Ereignisse zu erwarten, die unter den Großmächten eintreten müßten. Im März 1913, während der Londoner Botschafterkonferenz yo

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