Historische Blaetter 2. (1921)
Berthold Molden: Das Schicksal der Deutschen und der Weltkrieg
an die deutschen Grenzen reichenden südslawischen Staates doppeltgefährlichwar? Es hätte eben, wird man einwenden, die Anerbietungen Englands, mit ihm ein Bündnis zu schließen, nicht ausschlagen sollen, selbst wenn im Hintergründe die Möglichkeit eines Krieges mit Deutschland stand. Vielleicht! Aber ein solcher Krieg hätte, abgesehen davon, daß er an sich schon mit begründeter Unlust betrachtet wurde, zur Aussicht auf eine künftige russische Revanche und zur Aufrichtung Polens geführt und im weiteren Verlauf zum Verlust der eigenen polnischen Gebiete. Und welche preußische Regierung hätte sich entschlossen, sie aufzugeben? Preußen hatte in den Teilungen Polens, in denen ihm manches Stück alten deutschen Siedlungsbodens mit Recht zugefallen war, wie man damals eben Kabinettspolitik trieb, überreichlich zugegriffen und auch nach der Abtretung des Warschauer Landes mehr behalten als national berechtigt und innerpolitisch vernünftig war; nur militärisch war die Linie gerechtfertigt, weil man sonst die Grenze Rußlands zu nahe an Berlin gehabt hätte. Aber auch so wie sie gezogen war, konnte man nicht wünschen, mit diesem gewaltigen Nachbar anbinden zu müssen und anderseits konnte man den österreichisch-ungarischen Wall, der sich in den, sei es auch Hünenhaften türkischen fortsetzte, nicht opfern. Daher das Drei-Kaiser-Bündnis, ein Ideal der Zeit Bismarcks. Aber Bismarck selbst wußte, daß der Strom der Entwicklung seine Grundlagen untergrub, und sie wurden tatsächlich so ausgehöhlt, daß seine Nachfolger, denen nicht nur sein Genie, sondern auch seine Autorität fehlte, eine Situation vorfanden, die mit den alten Mitteln höchstens eine Weile noch fortzufristen war. Die Befürchtungen, die er so oft ausgesprochen hatte, die ihn zum Abschluß des Rückversicherungsvertrages bewogen, und die er, wie seine Reichstagsrede vom 6. Oktober 1888 zeigte, auch dann nicht für gebannt hielt, erfüllten sich. In Österreich-Ungarn gab es Politiker, die die Monarchie durch Zerlegung in national autonome Teile, andere, die sie durch den Trialismus heilen wollten. Franz Ferdinand wollte die Macht der Magyaren brechen, zum Teil um bei den Südslawen ein Gegengewicht gegen Belgrad zu gewinnen, das unverhüllt, ja oft mit herausfordernder Offenheit, eine Politik trieb, deren Devise es war, daß Serbien das Piemont des Balkan sei. So sehr die ungarischen, tschechischen, galizischen und alpenländischen Agrarier zur Verschärfung der Stimmung beitrugen, so war doch an eine Besserung durch bloßes Abgehen von dieser engherzigen Wirtschaftspolitik nicht zu denken. Der Gegensatz steckte ja viel tiefer, und kam von viel weiter her. Der letzte Grund des Übels war, daß Österreich es nicht zustande gebracht hatte, die Südslawen